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Die Haut, In Der Ich Wohne

7
Thriller

Pedro Almodóvars Spezialität ist es Grenzen sichtbar zu machen und diese zu überschreiten – das gilt ganz besonders für die Grenzen des Moralischen. Er widmet sich tabuisierten und verdrängten Themen und hat einen aufmerksamen Blick für die Ränder der Gesellschaft…

Mit „Die Haut, in der ich wohne“ verfilmte Almodóvar einen Thriller des französischen Autors Thierry Jonquet. Der im Jahr 1984 unter dem Titel „Mygale“ (Vogelspinne) publizierte Roman ist eine ineinander verschachtelte Erzählung über einen psychopathischen Arzt, der seine Opfer gefangen hält und zu gewaltvollen Sexualakten, bei denen er zusieht, zwingt. Macht, Sexualität und Geschlechtsidentität stehen im Zentrum – womit wir uns schon mitten in Almodóvars Welt befinden.

Die Themen sind vertraut, dennoch begibt sich der Regisseur auf neues Terrain: auf das Genre des Thrillers, das er wirkungs- und eindrucksvoll mit dem des Psychodramas verwebt. Der plastische Chirurg Robert Ledgard (Antonio Banderas) hält in seinem zur Schönheitsklinik umgebauten Haus eine junge Frau (Elena Anaya als Vera) gefangen. Besondere Aufmerksamkeit richtet der Arzt auf deren Haut, die er in einem überaus langwierigen Versuchsprozess perfektioniert. Er hat Erfolg, doch dieser gründet sich auf ein Geheimnis, das sich jenseits der geltenden ethischen Regeln der Medizin befindet. Nur die Haushälterin Marilia (Marisa Paredes) ist darin eingeweiht und kümmert sich in blinder Ergebenheit um das Gefängnis und die Inhaftierte.

„Die Haut, in der ich wohne“ besteht aus viel, viel mehr, doch wäre es schade den Genuss der Rätselhaftigkeit und ihrer Auflösung zu schmälern. Je weniger man weiß, desto besser! Die größte Stärke des Films ist die Inszenierung von Almodóvar, der gleich dem Roman die Zeitebenen durchmischt und neu anordnet. Dass er sein Fach beherrscht, zeigt sich darin, dass kein Teil beliebig, kaum etwas überflüssig und die Erzählung trotz der „Missing Links“ klar und verständlich ist. Die Montage erzeugt Spannung und steigert den mysteriösen und beklemmenden Charakter der Grundstimmung. Das Hinleiten zum Erkennen aller Zusammenhänge gipfelt in einem (filmisch gesprochen) magischen Moment, wo imaginativ zwei Bilder eins werden und die ganze Tragweite des bisher Gesehenen voll Staunen, Grauen und Ekel bewusst wird.

Dies alles funktioniert vor allem auch dank der überzeugenden Leistungen der Schauspieler. Banderas spielt den Arzt weder als Psychopathen noch als obsessiven Sadisten. Ledgard erscheint als jemand, der jedwede Angelegenheit mit äußerster Präzision und Sachlichkeit bestreitet. Elena Anaya gelingt es der Figur der Vera eine Balance zwischen Verletzlichkeit und Undurchdringlichkeit zu geben, sodass ihr Verhalten nie vorhersehbar und ihre Person nicht durchschaubar wird. Dasselbe gilt für Jan Cornet, dessen Auftritt als Vicente sich erstaunlich gut in den Verlauf einfügt.

Nur wenige Szenen entziehen sich der Wirkung der Gesamtkomposition. Sie erwecken den Eindruck des für den Weitergang der Erzählung unnötigen, aber für die Zuschauer erklärenden Bindeglieds. Es wäre schön gewesen, wenn diese anders gelöst worden wären, aber sie machen schließlich nicht den Film aus. Mit „Die Haut, in der ich wohne“ hat Almodóvar einen durchgestalteten, äußerst einprägsamen Film geschaffen, dessen Bildsprache und dramaturgische Wirkung lange nachhallen. Und wie immer in seinen Filmen, ist es großartig mit anzusehen, wie er seine Figuren entwickelt ohne zu moralisieren, wie er den Menschen zeigt, jenseits von Gut und Böse – nur dass es diesmal, weil er Distanz schafft, nicht so weh tut.

Regie: Pedro Almodóvar, Drehbuch: Pedro Almodóvar, Thierry Jonquet, Darsteller: Antonio Banderas, Elena Anaya, Blanca Suárez, Marisa Paredes, Laufzeit: 117 Minuten, Filmstart: 14.10.2011




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