Loving Vincent
So malerisch die Bilder von Dorota Kobielas und Hugh Welchmans aus über 65.000 Ölgemälden erstehenden Animationsdramas sind, so prosaisch ist dessen Story.
Das Regie- und Autorenduo der von 125 ZeichnerInnen geschaffenen Hommage schwelgt in dem als Vorlage dienenden Oevre, ohne es zu ergründen. Loving Vincent illustriert, wie im Titel anklingt, nicht das Leben Vincent van Goghs (Robert Gulaczyk), sondern seinen Stil. Die visuelle Virtuosität steht im Kontrast zur formelhaften Dramaturgie, die dem verlachten und einsamen Künstler ausweicht, wie es dessen Mitmenschen tun. Zu Handlungsbeginn ist Vincent bereits ein Jahr tot. Sein letzter Brief an den jüngeren Bruder Theo (Cezary Lukaszewicz) wird zum Katalysator eines Kriminalkonstrukts, das nicht Biografie ist, sondern Epitaph.
Für ihre Kunstsinnigkeit fordert die Inszenierung dabei fast mehr Ehrerbietung ein als für den Titelcharakter, der nur am Rande der Bilder und Ereignisse auftaucht. Seine Persönlichkeit bleibt eine Chiffre, das Stereotyp des missverstandenen Genies. Der substanzielle Mangel an Verständnis scheint der tatsächliche Grund für den verschobenen Fokus der Geschichte. Es ist die des jungen Armand Roulin (Douglas Booth), der sich und der Welt seine Tauglichkeit beweisen will. Was den anfangs unwilligen Protagonisten antreibt, bleibt so vage wie der Seelenzustand van Goghs, dessen Schaffensorte Armand aufsucht. Doch gegenüber dem verzweifelten Ringen des Malers um kreativen Ausdruck und menschliche Wertschätzung seitens eines feindseligen Umfelds ist Armands Betätigung als Amateurdetektiv eine unangemessen triviale Analogie.
Die Bekanntschaften van Goghs während seiner letzten Wochen in Auvers-sur-Oise referieren über private Episoden und sogar zukünftige Entwicklungen, die sich ihrer Kenntnis entziehen müssten. Die inszenatorische Ambition, van Goghs kunsthistorische Bedeutung zu vermitteln, versackt in einer mechanischen Narrativik. Nicht nur psychologische Komplexität van Goghs, der mehr war als die Summe seiner Werke, wird dadurch negiert. Figuren wie die Wirtstochter Adeline Ravoux (Eleanor Tomlinson), Dr. Gachet (Jerome Flynn), dessen Tochter Margaret (Saoirse Ronan) und Haushälterin (Helen McCrory) sind starre Verkörperungen romanesker Bürgerklischees. So bleiben die Bewegtbilder auf der Kinoleinwand letztlich seltsam stumm über van Gogh und den zauber der Kunst im Vergleich zu den unbeweglichen Bildern auf den Leinwänden des echten Vincent.
Regie: Dorota Kobiela, Hugh Welchman, Drehbuch: Dorota Kobiela, Hugh Welchman, Jacek Dehnel, Darsteller: Douglas Booth, Robert Gulaczyk, Cezary Lukaszewicz, Saoirse Ronan, Eleanor Tomlinson, Filmlänge: 94 Minuten, Kinostart: 28.12.2018