The Book of Eli
In Krisenzeiten lockte das Filmgeschäft sein Publikum verstärkt mit (apokalyptischen) Katastrophenszenarien in die Kinosäle, so hatte es zumindest angesichts der Fülle jener Genrevertreter den Anschein. Nach Terminator Salvation, Carriers, 2012 und Cormac McCarthy-Verfilmung The Road beschäftigen sich die Brüder Allen und Albert Hughes (From Hell, Menace II Society) mit der gern gesehenen, aber schwer damit zu überzeugenden Thematik. Dabei stehen den Regisseuren und Drehbuchautoren die Türen für sowohl emotional mitreißende oder auch gesellschaftskritische Geschichten genau dahingehend offen: der Australier George Miller etwa begeistert Genreliebhaber schon zu Ende der 70er Jahre mit seiner vielzitierten Mad Max-Trilogie, in der ein blutjunger Mel Gibson in der Hauptrolle um Benzin und Überleben kämpft, während die Menschheit durch selbst generierte, oftmals auch pandemisch ausgebreitete Krankheitserreger in Filmen wie Blindness, 28 Days Later oder Daybreakers an den Rand der Selbstauslöschung gedrängt wird.
Während sich die gewünschte Atmosphäre bei vielen Genrevertretern schon allein aufgrund des stimmungsvollen Einsatzes von zerstörten bzw. trostlosen Szenerien einzustellen vermag, scheitern viele Produktionen schlichtweg an jenem optischen Bombast, der scheinbar kaum Platz für ausgereifte Charaktere oder eine originäre Rahmenhandlung bereitstellt. So mutieren Schauspieler zu dekorativen Elementen in halbgaren Weltuntergangsvisionen und die Erzählung der eigentlichen Geschichte wird zu einer Abfolge von Actionszenen degradiert; ein trauriger Höhepunkt dieser Entwicklung war sicherlich der schwer plagiatsverdächtige Doomsday von 2008 oder eben – vor allem hinsichtlich vergebenen Potentials – Terminator Salvation aus dem vergangenen Jahr (Kevin Costners Produktionen rund um Urin-schlürfende Katamaranfahrer und Shakespeare-rezitierende Postzusteller werden hierbei aufgrund ihrer Absurdität ausgeklammert).
So darf natürlich schon im Vorfeld von The Book of Eli ein wenig Skepsis in der Erwartungshaltung mitschwingen, wenn sich im Schauspielensemble Namen wie Mila Kunis oder Malcom McDowell auffinden lassen. Glücklicherweise haben die Hughes Brüder mit dem hochkarätigen Allroundschauspieltalent Denzel Washington einen fähigen Protagonisten gefunden, der im Jahr 2044 durch die verwüstete Landschaft des einstigen amerikanischen Kontinents wandern darf. Mit starrer Mimik und unbeugsamen Willen ausgestattet hat Washingtons Charakter Eli nur ein Ziel: Ein Buch nach Westen zu bringen, welches einen unschätzbaren Wert für die menschliche Zivilisation in sich trägt. Einen ebenbürtigen Gegner erhält Eli in der Form des skrupellosen und machthungrigen Despoten Carnegie, den Gary Oldman mit sowohl psychotischen als auch bösartigen Wesenszügen klarerweise mit Leichtigkeit auf die Leinwand bahnt. So kommt es also wie es kommen muss: Zwischen actionreichen, hochstilisierten Kampfhandlungen werden charakterklischeetypische Dialogzeilen ausgetauscht, der Konflikt erhält durch die Involvierung einer klassischen Damsel in Distress (die ewig deplatzierte Mila Kunis) ein zusätzliche Komponente und ein Twist am Ende der Geschichte verspricht Gesprächsstoff nach dem Film.
Überraschenderweise kann man jedoch The Book of Eli viele seiner Schwächen verzeihen: die Actionsequenzen wurden gekonnt durch eine energetische Kameraführung in Szene gesetzt, auch die CGI-Landschaft und das Production Design vermag zu überzeugen. Die Handlung stellt sich zwar inhaltlich durch den unbeholfenen Einsatz altbekannter Western- und Easternelemente selbst ins Abseits, dank der stimmigen Gesamtatmosphäre und dem durchwegs aufrecht erhaltenen Spannungsbogen stellt sich selten Langeweile ein. Problematisch erweisen sich aber die Charaktere selbst, was sich in einer fast menschenleeren Umgebung natürlich als besonders nachteilig erweist: Der klassisch maskuline Held ist geübt in der Jagd, tödlich im Nahkampf mit dem Messer, wortgewandt gegenüber seinen Widersachern und unwiderstehlich für das weibliche Geschlecht. Bei diesem geballten, ausgelutschten Klischeeaufgebot vermag auch ein Denzel Washington keinen Funken Charaktertiefe oder Witz hinzuzufügen. Kaum verwunderlich kann auch Oldman seiner Figur aufgrund ihrer beinahe haarsträubenden Textzeilen (könnte das an der Lektüre von Mussolinis Biographie liegen?) wenig Reiz entlocken, was angesichts einer interessanten Einführung negativ überrascht.
Ein besonderes Element der Erzählung ist zudem die vielfach aufgeführte religiöse Komponente: Das begehrte Buch wird nämlich bald als einzigartiges Exemplar der Bibel enttarnt und die Bedeutung naturgemäß sakral aufgeheizt. Ein Gemetzel zwischen Gut gegen Böse darf also auf der Metaebene mitschwingen; eine, nein DIE altbekannte Gegnerschaft, die sich mit zunehmender Laufzeit aber verstärkt vom Gespräch hin zur comichaft überzeichneten Auseinandersetzung wendet. Religiöse Metaphorik in der Endzeit ist sicherlich kein Novum, so plakativ und zugleich unbedenklich für den aufgeschlossenen Kinogänger wurde sie jedoch bis vor The Book of Eli nicht präsentiert.
Denzel Washington als Road Warrior: In The Book of Eli versetzt das Brüderpaar Hughes seinen Protagonisten zwar in eine vergleichbar atmosphärische Umgebung, verzichtet dabei aber größtenteils auf interessante Charaktere. Mit religiösen Motiven aufgeladen, manövriert sich der Film unbeholfen in Richtung christlicher Propagandawerke, obwohl dies sicherlich mit einem lachenden und einem weinenden Auge zu sehen ist. Abseits davon bleibt eine sauber inszenierte, actionlastige Endzeitproduktion mit wenig originären Ideen, vielen Zitaten und einem Ende, welches die Handlung ad absurdum führt, übrig.
Regie: Albert und Allen Hughes, Drehbuch: Gary Whitta, Darsteller: Denzel Washington, Gary Oldman, Mila Kunis, Laufzeit: 98 Minuten, DVD-Release: 26.08.2010