Sick of Myself
Die bezeichnende Bizarrerie Kristoffer Borglis zweiten Spielfilms Sick of Myself ist nicht der autoaggressive Aufmerksamkeitsdrang der Hauptfigur, sondern die Verankerung der Inszenierung in eben jenem neurasthenischen Narzissmus und scheinheiligen Schaulust, die sie ostentativ kritisiert. Eine Verfilmung der fiktiven Titel-Biografie, welche die junge Protagonistin Signe (exzellent: Kristine Kujath Thorp) in einer ihrer regelmäßigen Realitätsfluchten über ihre selbstinduzierten Leiden zu schreiben träumt, ist der konsequente Abschluss des parodistischen Plots.
Dessen morbider Moralismus ignoriert nicht nur die pathologischen Züge der selbstdarstellerischen Selbstzerstörung, die Signe Mitgefühl, Medienpräsenz und Model-Aufträge bescheren, sondern verzerrt die intolerante Realität einer von Ableismus und Diskriminierung geprägten Gesellschaft zum neo-konservativen Popanz einer alles dominierenden Diversitäts-Diktatur.
Vielfalt und Integration betrachtete die psychologisch und dramaturgisch gleichermaßen entwicklungsarme Story als kuriose Begünstigung unfähiger oder unattraktiver Menschen im Namen einer zeitgemäßen Political Corectness. Dementsprechend erfährt Signe, die erst tödliche Allergien erschwindelt, dann illegale Medikamente schluckt, um drastische Nebenwirkungen herbeizuführen, nur positive Reaktionen auf entstellende Symptome.
Die Ursachen des Münchhausen-Syndroms, an dem sie scheinbar leidet, bleiben ebenso unergründet wie die komplexe Rolle sozialer Medien und die fatale Verflechtung von Masochismus und Materialismus. Auch Signes Beziehung zum ebenbürtig egomanischen Thomas (Eirik Sæther) stagniert in toxischen Trivialitäten, betrachtet aus einer paternalistischen Perspektive, deren privilegierte Selbstgerechtigkeit und künstlerische Prätention die der Figuren übertrifft.
Regie und Drehbuch: Kristoffer Borgli, Darsteller: Kristine Kujath Thorp, Elisabeth Bech Aschehoug, Bjørnar Bruun, Sarah Francesca Brænne, Anders Danielsen Lie, Filmlänge: 95 Minuten, Kinostart: 24.03.2023