Call Jane (c) 2022 DCM, Wilson Webb(4)

Call Jane

7
Drama

Der siegessichere Idealismus, der Phyllis Nagys tatsacheninspiriertes Geschichtsdrama Call Jane durchdringt, wirkt aus gegenwärtiger Sicht bedrückend bitter. Die heutige Zeit, in der in den USA Menschen, die schwanger werden können, wieder kriminalisiert und staatlich reglementiert werden, ist reif für neue Organisationen wie das titelgebende Kollektiv.

Von 1969 bis zum vermeintlich unumstößlichen Supreme Court Urteil 1973 vermittelte das Jane Collective in Chicago Abtreibungen an Klientinnen, die selten so wohlhabend, wertkonservativ und weiß waren wie die Protagonistin. Joy (Elizabeth Banks) lebt als Vorstadt-Hausfrau und Mutter mehr in den 50ern als im 68er-Handlungsjahr und muss ihre späte Schwangerschaft aus lebensbedrohlichen medizinischen Gründen beenden.

 

Der Krankenhausvorstand verweigert einen Ausnahmeeingriff und Gatte Will (Chris Messina) akzeptiert Joys Tod als bedauerlichen Kollateralschaden. Hilfe findet sie bei dem von der gestandenen Aktivistin Virginia (Sigourney Weaver) geleiteten Kollektiv, für das sie bald unverzichtbare Mitstreiterin wird. Die privilegierte Perspektive ist eine ambitionierte Identifikationsvorlage für ein konservatives Publikum, jedoch massiv verzerrend.

PoC und von Armut, Gewalt und Mehrfachdiskriminierung Betroffene sind die häufigsten Opfer erzwungener Schwangerschaften. Deren fatale Konsequenzen werden höchstens zaghaft umschrieben in einer vor allem schauspielerisch und inszenatorisch überzeugenden Dramedy. Deren historischer Hintergrund war bedeutend brutaler, als es das optimistische Drehbuch zugeben will – und wurde längst von der Realität eingeholt.

Regie: Phyllis Nagy, Drehbuch: Hayley Schore, Roshan Sethi, Darsteller: Kate Mara, Elizabeth Banks, Sigourney Weaver, Chris Messina, John Magaro, Wunmi Mosaku, Aida Turturro, Filmlänge: 121 Minuten, Kinostart: 02.12.2022

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