Chihiros Reise ins Zauberland
Vier Jahre nach seinem größten Erfolg kehrt Hayao Miyazaki 2001 aus seinem Ruhestand zurück. Und wie! Mit Chihiros Reise in Zauberland schaffte das Genie ein weiteres Meisterwerk, das den ersten ausländischen Oscar für einen Animationsfilm einfahren sollte.
Die zehn-jährige Chihiro Ogino (Rumi Hiiragi) ist alles andere als glücklich aufs Land zu ziehen. Als der Weg zum neuen Haus unterbrochen wird, steht die Familie plötzlich vor einem langen Tunnel. Obwohl sich das junge Mädchen sträubt, findet sie sich nach wenigen Augenblicken am Ende des langen Gangs wieder. Was wie ein verlassener Freizeitpark wirkt, ist für die Eltern eine willkommene Abwechslung, für Chihiro allerdings ein Grund zur Sorge. Und sie soll recht behalten. Als Chihiro vor dem Eingang zu einem riesigen Badehaus steht, begegnet sie Haku (Miyu Irino), der sie davor warnt noch eine Sekunde länger hier zu bleiben. Denn obwohl Haku wie ein Mensch aussieht, hat die Familie Ogino bereits die Welt der Geister betreten. Und nicht nur das. Die Gier der Eltern hat sie in Schweine verwandelt und da ihre Tochter sie nicht zurücklassen kann, muss sie einen Weg finden zu überleben und ihre Eltern zu retten.
Wenn man sich die zwei größten Erfolge von Studio Ghibli ansieht, ist es erstaunlich wie unterschiedlich sie sind. Während Prinzessin Mononoke eine epische Geschichte erzählt findet Chihiros Reise in Zauberland in einem wesentlich kleineren Rahmen statt. Hier wird eine persönliche Geschichte mit Coming-of-Age- und Fantasy-Elementen erzählt. Das beste daran: in Hinsicht auf ihre Qualität, bieten sich beide Werke ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Was der Film aus dem Jahr 2001 besonders gut macht, ist das Tempo, dass er sich selbst vorlegt. Man hat das Gefühl, dass in keinem Moment Zeit verschwendet wird. Die Anfangssequenz dauert nicht einmal 10 Minuten und auch danach werden dem Zuseher im Dauertakt neue Konflikte und Bilder präsentiert.
Wo wir gerade dabei sind: hier werden einem zwar nicht die klassischen Ghibli-Landschaften vorgesetzt, allerdings ist der Detailreichtum in jeder einzelnen Szene überwältigend. Auch beim zehnten Mal schauen, kann man immer noch neue Einzelheiten im Badehaus und den anderen Settings finden. Außerdem waren Charaktere selten so kreativ, exzentrisch und gleichzeitig gruselig gestaltet wie hier. Deshalb ist Chihiros Reise ins Zauberland einer der Filme, der sowohl die Jüngsten als auch die Ältesten begeistern kann.
Die Story bedient sich verschiedener japanischer Mythen, hat aber immer eine eigene Herangehensweise an die Thematiken. Außerdem ist es angenehm nicht jedes Detail erklärt zu bekommen, dadurch wirkt das geschaffene Universum lebendig. Die Charaktere reagieren anfangs feindselig auf unseren menschlichen Eindringling, was uns und Chihiro verwirrt und ängstlich macht. Im Laufe des Films wird die Protagonistin aber immer selbstbewusster und darauf reagiert die Welt und auch der Zuseher. Nicht nur für Chihiro ist es eine Reise, sondern auch für das Publikum.
Chihiros Reise ins Zauberland bietet einem genau das, was man sich von einer Studio Ghibli Produktion erwartet. Allerdings kann man es kaum mit einem der anderen Werke von Hayao Miyazaki vergleichen, was als absolutes Kompliment zu verstehen ist. Eine rundes Abenteuer, das den Zuseher erstaunt, überrascht und zufrieden zurücklässt.
Regie und Drehbuch: Hayao Miyazaki, Stimmen (Original): Rumi Hiiragi, Miyu Irino, Mari Natsuki, Takashi Naitô, Yasuko Sawaguchi, Filmlänge: 125 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 02.12.2016