Jojo Rabbit
Wie viel darf Satire und wie viel muss Satire? Darf Satire zynisch sein? Sollte Satire kritisch sein? Wie reflexiv kann Satire sein? Fragen über Fragen, die sich in der Auseinandersetzung mit der übertreibenden Kunstform stellen. Eines ist sicher: Satire darf lustig sein.
Der 10-jährige Jojo Betzler (Roman Griffin Davis) ist Vorzeige-Nazi und der größte Verehrer des Führers (Taika Waititi), welcher den kleinen Jungen als imaginärer Freund durchs Leben begleitet. Für ihn gehören die Ideale und Werte des Nationalsozialismus gleichgestellt mit den zehn Geboten des Christentums. Als er jedoch feststellen muss, dass seine eigene Mutter (Scarlett Johansson) ein jüdisches Mädchen in ihrem Haus versteckt, stellt sich für den Nachwuchs-Nazi die Welt auf den Kopf. Nun muss Jojo seinen blinden Nationalismus konfrontieren.
Nationalsozialismus, Faschismus, Nationalismus und Populismus sind Themen die in der Vergangenheit sowie in der Gegenwart sehr populäre Kontexte von Satirewerken, gerade im alltäglichen Medien-Gebrauch stößt man sehr oft darauf. Es ist kein Zufall, dass Adolf Hitler die meist parodierte Figur des 20. und 21. Jahrhunderts ist. Es sind jedoch auch Themen, die oft schon schlecht und unzureichend verarbeitet wurden, Jojo Rabbit gehört hier definitiv zu den Besseren. Taika Waititi schafft es in seinem aktuellsten Werk dieses prekäre Thema mit gutem Humor, viel Charm und notwendiger Kritik in 108 Filmminuten einzuweben. Grundsätzlich sind der Humor und die Gags sehr bezeichnend für den neuseeländischen Filmemacher, wer What We Do in the Shadows (2014) oder Hunt for the Wilderpeople (2016) gesehen hat, weiß welche Art von Humor man in Jojo Rabbit präsentiert bekommt. Aber es funktioniert. Im ganzen Film verteilt lassen sich skurrile, unterschwellige aber auch direkte Lacher wiederfinden. Humor im Allgemeinen passt in Jojo Rabbit, obwohl der Film mutiger hätte sein können. Mutiger im Sinn von böser und übertriebener mit den Nationalsozialisten ins Gericht gehen. Klar, ist nicht zwingend notwendig, jedoch wirkt es im Film, als hätte man sich nicht getraut den letzten Schritt zu gehen. Es fehlt Konsequenz. Und da gibt sich das Hauptproblem des Films zu erkennen.
Nicht nur der Komik und dem Humor mangelt es an Konsequenz, sondern auch der Satire. Die tonalen Wechsel zwischen Drama, Komödie und Satire sind zeitweise zu hart aber gleichzeitig zu milde. Die Heraushebung des satirischen Charakters verliert sich oft durch die fehlende Konsequenz in Übertreibung und Härte, wodurch Jojo Rabbit oft zu sehr „Dramedy“ bleibt. Gerade ab der Hälfte des Films geht der Satire-Faktor beinahe komplett unter, was dem Umgang mit dem Thema Nationalsozialismus nicht zu Gute kommt. Der Film weiß nicht genau wie er mit diesem Thema umgehen kann/darf. Dabei zeigt er sich auch wenig reflexiv, denn es wird ein Ende inszeniert, welches in der historischen Realität nur sehr selten vorgekommen ist. Dieser Fakt wird jedoch nur mit einem einzigen Satz abgehandelt, ohne das Filmende reflektiert diegetisch zu beleuchten. Nicht Fisch und nicht Fleisch.
Hervorzuheben sind die schauspielerischen Leistungen, gerade von Roman Griffin Davis als Jojo Betzler und Scarlett Johansson als Jojos Mutter Rosie. Die beiden spielen tadellos und sehr überzeugend, wodurch sehr viel Empathie für die beiden Hauptfiguren erzeugt wird. Diese Empathie führt vor Augen, dass neben Terror und Elend auch noch menschliches zu finden war. Außerdem ist die sprachliche Vermischung ein sehr prominenter Faktor im Film, der zu einigen Lachern führt. Deutsche Wörter fließen in englische Sätze mit ein, was zum Teil wirklich witzig ist. Außerdem sind die Songs, welche im Film wiederzufinden sind, allesamt auf Deutsch, was einen eigenen humorvollen Charme entwickelt.
Jojo Rabbit ist eine Nazi-Satire, die in vielerlei Hinsicht mutiger und konsequenter hätte sein können, die jedoch ein schwieriges Thema mit viel gutem Humor und tollen Schauspielern erarbeitet. Ein Film, der weiß was Satire kann, darf, soll und will, jedoch nicht 100% hinter seinen Antworten steht.
Regie: Taika Waititi, Drehbuch: Taika Waititi basierend auf dem Roman Caging Skies von Christine Leunens, Darsteller: Roman Griffin Davis, Scarlett Johansson, Thomasin McKenzie, Sam Rockwell, Taika Waititi, Rebel Wilson, Alfie Allen, Filmlänge: 108 Minuten, Filmstart: 23.01.2020, gezeigt auf der Viennale 2019