Tolkien
Wer epische Romane verfasste, verdient auch eine epische Biografie. Aber wenn einer eben keine hatte? Dann tut man eben so, als wären Schuljungenstreiche und Liebelei Dramen mythischen Ausmaßes.
Diesen Ansatz verfolgt Dome Karukoski in seinem englischsprachigen Spielfilmdebüt, das an der inhärenten Trivialität ähnlich leidet wie an mangelnder Phantasie. Dabei war ausgerechnet diese bemerkenswerteste Gabe J.R.R. Tolkiens (Nicholas Hoult). Dessen literarische Anfänge umreißt eine entwicklungsarme Story, welche das Wesen des Hauptcharakters nicht ansatzweise erfasst.
Noch obskurer bleibt die anhaltende Faszination seiner Werke, reduziert auf immer gleiche Tropen Feuer speiender Drachen und finsterer Reiter. Beide sieht der Protagonist als junger Soldat auf der Mordor-gleichen Somme, wo er schützengrabenfiebrig nach seinem Kommilitonen Geoffrey (Anthony Boyle) sucht, beschützt von einem ergebenen Rekruten. Selbiger heißt zum Überfluss Sam, falls irgendwer im Publikum Peter Jacksons Herr der Ringe verpasst hat und die plakative Parallele zwischen Twen-Tolkien und Frodo sowie Deutschen und Orks übersieht.
Tiefgreifendere Analogien als die offenbarsten (Weltkrieg = Schlacht um Mittelerde, Tolkiens vierköpfiger Schulfreunde-Club = Fellowship of the Ring), ignoriert das behäbige Idealporträt mit den Schattenseiten des romantischen Helden. Weder sein verbissener Katholizismus, die Abwertung von Frauen als intellektuell minderwertig noch seine fortschrittsfeindlichen Tendenzen tangieren den hohlen Plot. Dessen pompöse bis pittoreske Szenenbilder atmen uninspirierte Melodramatik statt der angepeilten magischen Ehrfurcht. So gerät die missglückte Hommage zur kuriosen filmischen Bestätigung Tolkiens persönlicher Ambivalenz gegenüber seiner eigenen Ikonisierung.
Regie: Dome Karukoski, Drehbuch: David Gleeson, Stephen Beresford, Darsteller: Nicholas Hoult, Lily Collins, Genevieve O’Reilly, Pam Ferris, Mimi Keene, Derek Jacobi, Colm Meaney, Craig Roberts, Filmlänge: 112 Minuten, Kinostart: 20.06.2019