Piercing
Das /slash Filmfestival zeigt heuer neben ihren üblichen Blut- und Beuschel-Filmen und einer äußerst kuriosen Udo Kier-Retrospektive auch einige Filme, die dem Arthouse-Kino zuzurechnen sind.
So auch den Film Piercing von Nicolas Pesce, der am Sonntag 23.9., bei vollem Hause im Filmcasino gezeigt wurde. Regisseur Pesce begeisterte die Einen und langweilte die Anderen mit seinem ebenfalls recht artifiziellen Horrorfilm The Eyes of My Mother. Beide Aspekte des gefühlten Spektrums werden mit Piercing wohl eher nicht erreicht.
Der Film stellt eine Verfilmung des gleichnamigen Romans vom japanischen Schock-Autor Ryû Murakami dar (nicht zu verwechseln mit Haruki Murakami). Jener zeichnet sich auch für die Romanvorlagen zu den Skandalfilmen Tokyo Decadence (bei dem er auch Regie führte) und Audition verantwortlich. Und irgendwo in der Mitte zwischen diesen beiden Geschichten liegt nun auch Piercing. Obwohl eine amerikanische Produktion, bleibt die Verfilmung nah am Stoff dran, lässt allzu explizite Stellen aus und erzählt die Geschichte von zwei durch und durch kaputten Menschen, die durch ihre Triebe zueinander finden (oder auch nicht): Ein Mann (Christopher Abbott) wird von dem Verlangen getrieben, sein frischgeborenes Baby mit einem Eispickel zu ermorden. Um das Geschehen abzuwenden, beschließt er eine Prostituierte aus dem S/M-Bereich zu töten. Als er sich mit der Dame (Mia Wasikowska) in einem Hotelzimmer trifft, wird bald klar: Die Gute steht ihm im Sinne des Kaputt-Seins um nichts nach. Es wird eine lange Nacht für Beide, bei der immer wieder die Oberhand gewechselt wird.
Nicolas Pesce erzählt diese grundsätzlich mal wenig originelle Geschichte unaufgeregt, aber dennoch flott. Mit gerade mal 81 Minuten Spielzeit ist die Sache schneller vorbei, als man selbst noch weiß, was man davon eigentlich halten soll. So entlässt der Schluss zwar mit einer ganz netten Pointe, allerdings auch ohne jegliche Auflösung der Geschichte. Mia Wasikowska spielt die kaputte Dirne mit echter Hingabe und ist als stärkster Pluspunkt aufzuzählen. Besonders gelungen ist auch die Szene, als der Mann den Mord im Hotelzimmer alleine plant. Wir sehen, was er vorhat, unterstützt durch eine Soundkulisse die eben jene Geräusche wiedergibt (sägen, brechen, Blut platschen), die der Mann nur imaginiert. Sehr seltsam jedoch ist der Rückgriff des Soundtracks auf alte Themes von Gialli-Klassikern – von Bruno Nicolai bis Goblin ist alles dabei. Auch das Begleitheft des slash Filmfestivals will uns glauben machen, dass es sich bei Piercing um einen Neo-Giallo handeln soll. Diesen Verdacht kann man keineswegs bestätigen. Unterm Strich bleibt eine etwas wenig ausgegorene Geschichte über zwei verlorene Seelen, mit der einen oder anderen heftigen Gewalteinlage, einer sehr guten Hauptdarstellerin und einer kleinen Dosis schwarzen Humors. Kein echter Brüller. Aber schon okay.
Regie und Drehbuch: Nicolas Pesce, basierend auf dem Roman von Ryû Murakami, Darsteller: Christopher Abbott, Olivia Bond, Laia Costa, Maria Dizzia, Mia Wasikowska, Filmlänge: 81 Minuten, gezeigt auf dem /slash Filmfestival 2018