99 Homes
In 99 Homes kämpft ein junger Vater verzweifelt um sein Zuhause, erkennt, dass er kein Einzelfall und Amerika das Land der Sieger ist. Ein sowohl gesellschaftskritischer, wie auch vorhersehbarer Film.
Dennis Nash (Andrew Garfield) ist ein harter und ehrlicher Arbeiter, der sein Bestes gibt um seiner Mutter Lynn (Laura Dern) und seinem Sohn Connor (Noah Lomax) ein Dach über dem Kopf zu gewährleisten. Leider lebt er in einem Amerika, das die harten und ehrlichen Arbeiter zumeist bestraft statt sie zu belohnen und so kommt es, wie es kommen muss und Dennis kann die Raten für das Haus nicht mehr bezahlen. Schon ist Rick Carver (Michael Shannon) zur Stelle und lässt das Haus räumen, als Repräsentant der Bank setzt er Dennis und seine Familie auf die Straße. Unverhofft bekommt Dennis jedoch bald einen Job von Rick angeboten und steigt mit dubiosen Geschäften schnell selbst in die Riege der besser Verdienenden, der Sieger, wie Rick es nennt, auf und setzt nun seinerseits Leute auf die Straße. Doch das neugefundene Glück währt nicht auf Ewig.
99 Homes von Ramin Bahrani beginnt als eindringliche Parabel auf die klassische Vorstellung des amerikanischen Traums, zeigt den Grad an Pervertierung, die diese Illusion angenommen hat und hinterfragt gleichzeitig das System, das es zulässt. Er etabliert das Bild eines zutiefst zerrütteten Landes, das nicht nur, wie Shannon es im Film treffend reüssiert, von und für Sieger gemacht ist, sondern gerade deshalb auf einem äußerst fragwürdigen und nicht zuletzt explosiven Fundament aus Verlierern ruht. Verlierer, die nicht zwangsläufig Versager sind, sondern einfach nicht rücksichtslos, geldgierig und verschlagen genug sind um durchzukommen, jene die nicht fähig sind das Gesetz für ihre Zwecke zu entfremden und Profit daraus zu schlagen bleiben eben auf der Strecke zurück und werden gnadenlos von dem Giganten Amerika zermalmt und als verbrauchte, degradierte Reste ausgespuckt. Beide Seiten der Medaille werden von Shannon bzw. Garfield repräsentiert. Wobei ersterer grandios wie immer agiert, während letzterer manchmal seine Schwierigkeiten hat mitzuhalten und etwas ins Hintertreffen gerät.
Überhaupt verläuft sich auch die Geschichte, so interessant und spannend sie beginnt, früher oder später in Nichtigkeiten und Klischees. Zu Vorhersehbar wird der Handlungsverlauf, zu schnell vollzieht sich der Werdegang des Protagonisten vom Rausgeschmissenen zum Rausschmeißer und letztlich zum, von Gewissensbissen geplagten, Spekulanten, der erwartungsgemäß selbst das Wesentliche aus den Augen verliert und zu einem Abziehbild seines Mentors Rick Carver zu verkommen droht. Dessen Figur überraschend vielfältig ausgearbeitet wird und genug Raum für eine eigene Hintergrundgeschichte bekommt, festverankerte Motivationen und eine Erklärung wieso er tut, was er tut und wie er dazu steht. Das macht aus ihm keinen banalen, eindimensionalen Antagonisten, sondern einen erfrischend positiven Gegenpart zu Garfields Protagonisten.
https://youtu.be/sfttvNCIJvE
Nicht zuletzt wirkt Carver aber auch deshalb so überzeugend, weil er von Michael Shannon punktgenau getroffen wird. Schwieriger verhält es sich da schon mit den Nebenfiguren, die sich abseits des charmant-boshaften Charismas Shannons oder der bemühten, aber Großteils soliden Leistung von Andrew Garfield befinden. Entweder handelt es sich bei den Nebenfiguren um simple Muster und Schablonen, die ganz deutliche Hintergedanken und von den Filmemachern intendierte Aussagen veranschaulichen sollen oder ihre Motivationen sind stellenweise zu schwer nachzuvollziehen und schlichtweg sprunghaft, um sie als reale Charaktere ernst zu nehmen.
99 Homes ist kein Film, der dem Zuschauer viel Platz für Interpretationen lässt. Vielmehr handelt es sich um ein vorgefertigtes Muster, eine ganz präzise Aussage, die Ramin Bahrani mit seinem Film ausdrücken wollte und er geht auf Nummer Sicher, dass diese Aussage auch ankommt. Von daher wird dem Publikum alles durch- und vorgekaut und bietet kaum Raum sich seine eigenen Gedanken zu machen, das übernimmt der Film für einem. Doch selbst wenn 99 Homes vielleicht gerade deshalb unbefriedigend wirkt, spannend und unterhaltsam ist der Film allemal und auch was die Message betrifft, sollte man nicht zu hart mit Bahrani ins Gericht gehen, verfolgt er doch redliche Ziele mit seiner sozial- und gesellschaftskritischen Thematik über das Bild einer Gesellschaft, dessen Gier nach Geld und Macht immer größer und damit auch immer schwieriger zu stillen wird, die letztlich an unser aller Türen klopft. Die Frage wird wohl nur sein, auf welcher Seite man selbst steht?
Regie: Ramin Bahrani, Drehbuch: Ramin Bahrani, Amir Naderi, Bahareh Azimi, Darsteller: Andrew Garfield, Michael Shannon, Laura Dern, Clancy Brown, Laufzeit: 112 Minuten, gezeigt im Rahmen der Viennale V’15, www.99homesmovie.com