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Interview mit Betty Ford Boys: Diese Producer machen den Beat

Das Künstlerkollektiv aus Dexter, Suff Daddy und Brenk Sinatra wird als „Deutschlands erste Hip-Hop Producer Supergroup“ bezeichnet, schließlich haben sie neben ihren jeweiligen Solokarrieren auch schon viele Beats für andere produziert…

So werkelte Wiener Brenk Sinatra u.a. mit Westcoast Gangsta Rapper MC Eith zusammen an dessen neuem Album und seit Dexter einen Beat für Caspers Blut sehen (aus dem Album XOXO) beisteuerte, darf er auch eine goldene Schallplatte sein Eigen nennen. Ende August veröffentlichten die Betty Ford Boys ihr Debütalbum Leaders Of The Brew School und sorgen für feine Instrumental Hip-Hop Tunes, chillige Samples und mitreißende Beats. Aktueller Anspieltipp: Papa Was (A Junky), Too.

Wir trafen Zwei Drittel des Trios bei ihrem Konzert im Wiener Café Leopold – Suff Daddy fiel leider krankheitsbedingt aus – und sprachen mit den Betty Ford Boys über den Imagewandel von Produzenten, warum die österreichische Musiklandschaft tot ist und was eine Kuh mit Inspiration zu tun hat.

pressplay: Ihr seid derzeit zu dritt auf Tour und legt in diversen Clubs auf. Was ändert sich bei eurem Konzert, wenn mal einer von euch – wie jetzt Suff Daddy – fehlt?

Brenk Sinatra: Es ist natürlich sowohl persönlich als auch musikalisch ein Verlust, aber wir halten die Fahne für ihn hoch.

Dexter: Bei Konzerten wechseln wir uns immer jeden Track ab, von daher kann man das zu zweit noch ganz gut ausgleichen. Doch Suff Daddy steht sonst auf der Bühne immer in der Mitte, die ist dann jetzt natürlich weg. Er redet auch meistens mit dem Publikum…

Ihr seid alle Producer und habt euch vor einem Jahr zu den Betty Ford Boys zusammen getan. Als Producer zieht man eher im Hintergrund die Fäden, wie ist es dann, wenn auf der Bühne die Augen auf euch gerichtet sind?

Brenk Sinatra: Ich denke, das ganze Beat-Ding ist mittlerweile in den Vordergrund gerückt. Früher war ein Produzent ein Dienstleister, aber seit ein paar Jahren spielt der Beatmacher genauso eine wichtige Rolle wie der Rapper, Sänger & Co. Da sind Live-Auftritte eine logische Schlussfolgerung des Ganzen.

Dexter: Wir wissen auch gar nicht, wie das jedes Mal auf Tour so abläuft: Ob das Publikum tanzt oder uns nur anschaut. Unsere Gigs sind so ein Mittelding zwischen Auflegen und einer Live-Show, haben aber Konzert-Charakter und im besten Fall gehen die Leute bei uns ab.

Ihr gehört zur Generation Tapedeck, die sich gerne der Musik aus der Vergangenheit bedient. Nehmt ihr eure Inspiration auch aus der Gegenwart oder eher nicht?

Dexter: Wir haben das Ohr immer auf der Straße. Ich bin da jemand, der gerne viel alte Musik hört, Brenk Sinatra auch. Wir lassen uns von alten und neuen Sachen inspirieren, wobei ich für mein Soloprojekt eher auf Musik aus vergangenen Zeiten zurückgreife. In Plattenläden herum zu stöbern ist da meine größte Inspiration.

Brenk Sinatra: Ich mag den Westcoast-Influence, dass man Synthesizer auf eine gewisse Art spielt oder Sounds, die eher unbeschwert und kalifornisch nach Sonne klingen. Zu 99 % sind das Songs von vor über 30 bis 40 Jahren. Man muss sich das wie eine Kuh vorstellen, wo man sich das beste Filet aus den vier Minuten herausschneidet und in einen guten Song packt.

Was muss ein Song für euch haben, dass er euch gefällt?

Brenk Sinatra: Er muss authentisch sein! Dabei ist es egal ob du singts, rappst oder jodelst. Wenn ich es dir abkaufe, dein Image, wie du dich gibst, egal ob du nachdenklich singst oder ein harter Rocker bist. Authentizität ist das Einzige, was zählt.

Gibt es einen bestimmten Song auf eurem Album „Leaders Of The Brew School“, auf den ihr besonders stolz seid?

Dexter: Keinen bestimmten. Wir haben aber auch ein blindes Vertrauen zueinander, so dass wir unsere Skizzen den jeweils anderen gegeben haben und die diese weiterentwickelt haben, ohne in den Style des anderen hinein gepfuscht zu haben. Die Songs auf dem Album mussten in erster Linie mal jedem von uns dreien gefallen. Ich bin so ein Typ, der gerne ein Album mit rotem Faden durch hört. Wir produzieren keine Singles.

Brenk Sinatra: Das gesamte Konzept muss Sinn ergeben, deshalb setzen wir nicht auf kurzweilige Singles, sondern auf langanhaltende Alben.

Ihr habt neben den Betty Ford Boys noch euren eigenen Projekte laufen: Dexter, du hast zwei Soloalben „The Jazz Files“ und „The Trip“ veröffentlicht, die in der Szene gutes Feedback erhalten haben. Hast für Casper und andere Künstler Beats produziert und arbeitest auch noch als Kinderarzt in Stuttgart. Wie schaffst du das alles unter einen Hut zu bekommen? Schläfst du?

Dexter: Vier bis fünf Stunden Schlaf müssen reichen. Beats kann man immer machen, so wie andere Sport machen, das fällt mir einfach leicht. Ich komme von der Arbeit nach Hause und setze mich an den Computer und werde nicht müde Musik zu machen.

Für den Song „Blut sehen“ von Caspers Goldalbum „XOXO“ hast du den Beat beigesteuert. Was war zuerst da: Beat oder Text?

Dexter: Der Beat. Ich kann nicht auf Vorschlag hin was machen, die müssen nehmen, was da ist (lacht). Bei Casper war es so, dass er sich ein Video von mir angeschaut hat, als ich beim Beatfight angetreten bin. Und den einen Beat fand er so toll und hat uns geschrieben, ob er diesen verwenden darf. Ich wäre nie selbst auf die Idee gekommen meine Beats irgendwo hin zu schicken. Wenn es passt – und das Endergebnis war ja auch gut – dann bin ich natürlich zufrieden.

Du hast mal gesagt: „Wenn ich Beats mache, versuche ich das von Vornherein zu machen, dass es gar keine Rapper mehr braucht.“

Dexter: Ich denke beim Machen von Beats nicht daran, wie es sich anhört, wenn jemand darauf rappen würde. Ich lasse gerne Songs für sich stehen, ohne dass jemand noch seinen Senf dazu geben muss. Aber wenn es passt, bin ich nicht dagegen. Ich mache Musik für mich und nicht um jemanden damit zu bedienen.

Brenk Sinatra, du bist schon länger am Produzieren des neuen Albums von MC Eith, ein Rapper der ehemaligen Rap-Crew Compton’s Most Wanted, die mit ihren Samples den Westcoast Hip-Hop maßgeblich beeinflusst haben.

Brenk Sinatra: Ach, ich weiß nicht was ich sagen soll. Wir sitzen auf mindestens 60 fertigen Nummern, haben genügend Material für drei Alben, aber nichts kommt raus. Das Ding ist halt, dass die Songs zu schade sind, um sie einfach nur auf YouTube zu stellen und sie deshalb mit wenig Promotion untergehen würden. Dafür sind sie viel zu gut! Vielleicht warten wir umsonst, aber ich hoffe nicht.

Du bist in Wien-Kaisermühlen aufgewachsen. Woher kommt deine Leidenschaft für den amerikanischen Westcoast Hip-Hop?

Brenk Sinatra: Wir haben das Glück gehabt in der besten Phase des Hip-Hops groß zu werden und damals die Platten zum Soundtrack unseres Leben wurden. Ich habe das wirklich jeden Tag gehört! Ich kam von der Schule nach Hause und habe zuerst auf Play gedrückt, z.B. war es 1993 das Album „Lethal Injection“ von Ice Cube.

Auch von dir gibt es ein interessantes Zitat: „Ich bin Wiener mit jeder einzelnen Faser, aber das Land ist musikalisch tot.“ Was läuft deiner Meinung nach in Österreich schief?

Brenk Sinatra: Was viele nicht verstanden haben ist, dass ich gemeint habe, dass es in meinem Umfeld viele unfassbar talentierte Produzenten gibt. Aber in meiner Aussage rede ich nicht von Leuten, die Beats machen, sondern die in den Medien stattfinden. Es ist doch eh überall das gleiche, was in den Charts vorzufinden sind. Man muss sich nur die österreichischen Charts anschauen, die sind ein Abklatsch der deutschen Charts mit etwas Ziehharmonika und Schuhplattler dazwischen. Die großen Musiklabels riskieren nichts, 60-Jährige haben keine Ahnung von dem, was aktuell sein soll und springen aufs sichere Pferd namens Volksmusik. Und viele talentierte Leute sind frustriert und hören auf Musik zu machen, ich kenne viele davon. Sie möchten nicht aus Wien wegziehen, aber sie wollen bestenfalls von der Musik leben. Wenn ich z.B. acht Stunden am Tag trainiere, dann habe ich auch den Anspruch Profifußballer werden zu wollen, ist ja klar.

Du warst schon mehrmals für den Amadeus Austrian Music Award nominiert…

Brenk Sinatra: …natürlich denkt man sich, dass es toll ist, nominiert zu sein. Aber ich hatte mehr Spaß daran einen tollen Abend mit Freunden zu verbringen. Wir sind nach zehn Minuten aus dem Saal rausgegangen, weil wir das Event als lähmend empfanden. Im Indie-Bereich gibt es tolle Künstler wie DemoLux aus Salzburg oder Average aus Linz, die gehört werden sollten. Doch viele ändern ihren Style, weil sie das nachmachen, was in den Charts zu hören ist – aber genau damit werden sie wahrscheinlich noch weniger erfolgreich sein, weil sie nicht authentisch bleiben.