I Am Alive
Ein Jahr nach dem „Event“ kehrt unser Protagonist noch einmal in die verwüstete Stadt Haventon zurück, um sich dort auf die Suche nach seiner Familie zu machen. Die Ressourcen sind knapp, die wenigen Überlebenden ausgehungert und primär darauf bedacht, ihr eigenes Überleben zu sichern. Das ist das düstere, vielversprechende Setting für den vor vier Jahren angekündigten und jetzt schlussendlich erschienenen Survival-Horror-Titel „I Am Alive“…
Doch schon nach einem kurzen Blick auf die Entstehungsgeschichte des Spiels ist eine gewisse Skepsis unvermeidbar: Mitten in der Entwicklung von „I Am Alive“ kam es zu einem abrupten Studiowechsel – der ursprünglich in Frankreich entwickelte Titel wurde von Ubisoft Shanghai übernommen und dann komplett überarbeitet. Wieviel vom ursprünglichen Entwurf bei der Veröffentlichung noch vorhanden war, lässt sich schwer abschätzen, aber sowohl Setting als auch Backstory des Protagonisten wurden noch nachträglich geändert. Auch wurde auf eine Retail-Veröffentlichung verzichtet – man setzt jetzt exklusiv auf Xbox Live, ab dem zweiten oder dritten Quartal des Jahres soll „I Am Alive“ aber auch im PlayStation Network erhältlich sein.
Das Gameplay bietet – wie die Story – interessante Ansätze, herausragendes Feature ist dabei mit Sicherheit das gnadenlose Stamina-System: Laufen, Klettern und Springen kostet wertvolle Energie, die sich nicht automatisch wieder auflädt. Die Folge: jede Bewegung ist idealerweise gut geplant, Fehler werden beinhart bestraft – Gegenstände, die Stamina und Hitpoints wiederherstellen, sind nicht zuletzt aufgrund mangelnder Hilfsbereitschaft der Anrainer der tristen Stadtruine Mangelware und daher für absolute Notfälle aufzubewahren. Doch wer jetzt erwartet, seine Kreativität zur Überwindung großer Hindernisse einsetzen zu können, wird enttäuscht, da meistens nur ein einziger, von den Entwicklern erdachter, Lösungsweg auch wirklich zum Ziel führt. Unterstrichen wird das nur noch zusätzlich von der Tatsache, dass man zwar sehr wohl springen kann – aber nicht überall, sondern nur wenn das von der jeweiligen Situation vorgesehen ist. Die Möglichkeit, sich wie zum Beispiel in „Fallout“ frei in der post-apokalyptischen Umgebung zu bewegen, wird dadurch stark eingeschränkt.
Zumindest teilweise besser funktioniert die Interaktion mit den Bewohnern der Stadt: auch hier offenbart sich ein interessantes Konzept, das versucht, die Stimmung zu intensivieren. An vielen Stellen halten sich andere Überlebende auf – manche davon benötigen Unterstützung und es liegt im Ermessen des Spielers, entweder Hilfe zu leisten und damit auf einen Teil der schwerst erworbenen Medikamente und Lebensmittel zu verzichten oder diese aufzusparen und damit die anderen Charaktere ihrem Schicksal zu überlassen. Das sind die Momente, in denen „I Am Alive“ glänzt: Schnell wird klar, dass jede Handlung Konsequenzen mit sich zieht und die einstige Heimat zu einem bitteren, tristen Ort geworden ist.
Natürlich gibt es nicht nur Opfer, sondern auch jede Menge Leute, die einem das Leben erschweren. Manche davon drohen, sich zu wehren, sollte man zu nahe kommen – navigiert man mit ausreichendem Respektabstand herum, hat man keinen Konflikt zu fürchten. Das ist durchaus von Bedeutung, muss die eigene Waffe anfangs ohne Munition auskommen, jede Kugel, die man im Laufe des Spiels sammelt, ist – analog zu den diversen anderen Gegenständen – für absolute Notfälle aufzubewahren. Dafür hat man die Möglichkeit, auch mit der leeren Waffe zu drohen und so potentielle Handgemenge zu verhindern. Zielt man auf den Gegner, nimmt dieser die Hände hoch – steckt man die Waffe nur für den Bruchteil einer Sekunde ein, verliert dieser offenbar sein Kurzzeitgedächtnis und attackiert den Protagonisten sofort wieder, kaum zückt man seine Pistole erneut, kommt die Erinnerung scheinbar schlagartig zurück, und er ergibt sich ein weiteres Mal. Das sorgt für ein paar unfreiwillig komische Momente, die die Atmosphäre zerstören.
Die technische Seite bietet altbackene (aber stimmige) Grafik, die angesichts des niedrigen Preises und der eingangs erwähnten turbulenten Entwicklung noch zu verschmerzen ist, aber vor allem eine Steuerung, die sich als große Hürde herausstellt. Keiner der Bewegungsabläufe funktioniert so flüssig wie man sich das wünscht, was oft dazu führt, dass man mehr Stamina als geplant verliert und damit das Weiterkommen unnötig erschwert wird. Zusätzlich frustrierend wirkt da die Tatsache, dass man anfangs nur drei Versuche hat, um eine Situation zu wiederholen – ist erst einmal die eigene Energie aufgebraucht, stirbt man unweigerlich. Nach dem letzten Versuch muss man den gesamten Abschnitt wiederholen, was spätestens nach dem dritten oder vierten Mal wirklich zermürbend ist – man muss schon sehr am Verlauf der Story interessiert sein, um dauerhaft weitermachen zu wollen.
„I Am Alive“ bringt einige interessante Konzepte mit sich, die allesamt nicht so aufgehen, wie man es sich gewünscht hätte. Vor allem der stark lineare Ablauf des Spiels, der bei all der aufwändig gestalteten Umgebung in Wirklichkeit nur einen einzigen Weg zulässt, und die dem erfrischend brutalen Stamina-System im Weg stehende Steuerung zerstören den von der – zwar wenig innovativen, dafür soliden und vor allem tristen – Story hinterlassenen Gesamteindruck.
Plattform: XBLA (Version getestet), PSN ( Q2 2012), Altersfreigabe (PEGI): 18, Spieler: 1, Erscheinungsdatum: 07.03.2012