Der-Mandant-©-2011-Constantin

The Lincoln Lawyer

4
Thriller

Matthew McConaughey als verbissener Anwalt, der jedes (Straf)register zieht, um zu gewinnen? Kennt man doch schon! Nach Die Jury gibt man Mr. „I wanna take my shirt off“ in Der Mandant ein weiteres Mal die Möglichkeit, ein flammendes Plädoyer zu halten. Schuldig oder nicht schuldig, das ist hier die Frage…

Amerikanische Justizdramen sind prinzipiell voller Potenzial. Meistens garantieren sie Spannung und Thrill, manchmal sogar einen Hauch von Erotik, aber vor allem Gesellschaftskritik. Und wenn wir eine Gesellschaft gerne kritisieren, dann ja wohl die amerikanische. Liest man zum ersten Mal den (deutschen) Kinotitel Der Mandant, denkt man sofort an einen Roman von John Grisham. Zwar basiert der Film mit dem Originaltitel The Lincoln Lawyer tatsächlich auf einem Buch, allerdings ist dieses von Michael Connelly, einem der führenden Kriminalautoren der USA, welcher unter anderem die Vorlage für Blood Work produziert hat. Sieht man zum ersten Mal unter dem Kinotitel das Gesicht des Südstaaten- Sunnyboys Matthew McConaughey, muss man schon wieder an John Grisham denken, immerhin schrieb der ja Die Jury, womit Mr. Sixpack bekannt wurde. Zweifellos zählt der Auftritt als abgebrühter, schmieriger Anwalt zu einer seiner besten Performances und zusammen mit dem restlichen vielversprechenden Cast (Ryan Philippe, Marisa Tomei, William H. Macy, Josh Lucas uvm.) kann man doch eigentlich nur etwas Gutes erwarten.

Kurz zum Inhalt: Anwalt Mick Haller (Matthew McConaughey) sieht nicht nur arrogant und schmierig aus, er ist es auch. Sein Büro ist ein schicker Lincoln (was natürlich den Originaltitel erklärt), sein Chaffeur ein ehemaliger Mandant und seine restlichen Klienten sind meistens schuldig. Diebe, Drogendealer, Nutten – Mick vertritt alles und jeden, so lange das Geld stimmt. Hier geht es nicht um Gewissen und Recht, hier geht es schlichtweg um Geld. Je größer das Honorar, desto wahrscheinlicher ein Freispruch. Als er das stinkreiche Muttersöhnchen Louis Roulet (Ryan Phillippe) wegen versuchter Vergewaltigung und schwerer Körperverletzung vertreten soll, wird für den toughen Anwalt plötzlich das viele Geld zur Nebensache. Sein Klient ist nicht nur schuldig, sondern sogar verantwortlich für einen Mord und wird bald sein eigener Alptraum. Nicht nur seine Anwaltslizenz – und somit seine berufliche Zukunft – steht auf dem Spiel, sondern auch sein eigenes Leben und das Wohl seiner Familie. Der auf den ersten Blick sympathische Louis ist nicht nur ein geschickter Lügner, sondern vor allem bereit für seinen Freispruch über Leichen zu gehen.

Der Mandant beginnt tatsächlich vielversprechend und spannend. McConaughey passt nahezu perfekt in die Rolle des aalglatten Anwalts, der schmiert, schleimt, besticht und bescheißt, nur um an sein Honorar zu kommen. Hier überzeugt der Film nicht nur durch die gute Besetzung, sondern vor allem wegen seinen interessanten sowie schockierend realistischen Einblicken in das amerikanische Rechtssystem und wie sich Anwälte selbiges zum eigenen Nutzen zurechtbiegen. Auch wenn Phillippe auftaucht, versteht man, warum gerade dieser Cast ausgewählt wurde. Ab der Hälfte passiert jedoch das, was man aus vielen Fußballspielen der österreichischen Nationalmannschaft kennt: vorhandene Chancen werden nicht verwertet. Als sich Mick Hallers Charakter plötzlich mit seinem eigenen schlechten Gewissen und Fehlentscheidungen konfrontiert sieht, mutiert McConaughey zu einem weinerlichen, von Selbstzweifeln und Angstattacken geplagten Möchtegern-Held, den man ihm einfach nicht abkauft. Während ihm die Rolle als Gerichtsarschloch wie auf den Leib geschrieben scheint, schüttelt man spätestens bei seinem zweiten Heulkrampf den Kopf.

Hoffnungslos sitzt man die zweite Hälfte im Kino und wartet auf eine hyperintelligente, ausgeklügelte und clevere Auflösung, während man auf langatmige Art und Weise ein fast schon provokant aufgelegtes Happy End und uninteressante Nebenhandlungen (inklusive Liebesgeschichte) aufgetischt bekommt. Während Regisseur Brad Furman sich also wirklich eine Stunde lang bemüht, jegliches Potenzial aus dem Justizdrama herauszuholen, gehen ihm in der zweiten Stunde sowohl Puste, als auch die Ideen aus, was aus dem Film leider nur ein zweifelhaftes Vergnügen ohne Nachdenkfaktor macht. Etwas enttäuscht verlässt man das Kino, genauso wie nach einem verlorenen Ländermatch und erkennt schmerzlich, dass ein guter Anfang alleine noch lange keinen Sieg ausmacht – und einen wirklich guten Film schon gar nicht.

Regie: Brad Furman, Drehbuch:  John Romano, Darsteller: Matthew McConaughey, Ryan Philippe, Marisa Tomei, William H. Macy, Josh Lucas Laufzeit: 119 Minuten, Filmstart: 24.06.2011




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