Erschütterung (c) 2023 Percival Everett, Heyne Verlag(2)

Erschütterung

In Erschütterung erzählt Percival Everett eine schmerzhafte Geschichte über Liebe, Verlust, Trauer und noch viel mehr, vielleicht sogar zu viel.

Zach Wells ist Paläontologe an einer Universität. Er hat eine Tochter, die er über alles liebt, und eine kühle, distanzierte Beziehung zu seiner Frau. Seine Gefühle versteckt er hinter Ironie und Abgeklärtheit, die manchmal vielleicht sogar schon zu abgestumpft ist. Nur seine Tochter Sarah vermag noch zu ihm durchzudringen. Aber dann stimmt etwas nicht mit ihrem Sehvermögen und sie erleidet merkwürdige Anfälle. Es kommt eine verheerende Diagnose, die sowohl Zach als auch seine Frau Meg aus ihrem monotonen, einstudierten Alltag reißt. Außerdem findet er in einer Second-Hand-Jacke einen merkwürdigen Hilferuf und flieht in die Wüste New Mexikos, um der Sache auf den Grund zu gehen.

Wie es der Zufall wollte, lag mir gerade so etwas wie Dieses Messer ist richtig scharf auf der Zunge, als Sarah sich in den Finger schnitt. Man konnte leicht vergessen, dass sie erst zwölf war, bis es zu solchen Augenblicken kam, in denen der Schmerz in Wirklichkeit Angst war.

In Erschütterung von Percival Everett passiert sehr viel. Es geht nicht nur um den Protagonisten und wie er mit der Krankheit seiner Tochter umgeht. Sondern es gibt noch den Hilferuf, es gibt einen Selbstmord unter seinen Kollegen, es gibt eine Studentin, die mehr von ihm will. Die stärksten Momente sind zweifellos jene, wo Everett sich auf das Vater-Tochter-Verhältnis konzentriert. Alles andere wirkt jedoch eher zu viel des Guten. Es passt irgendwie nicht so richtig zusammen. Und es ist, einfach ausgedrückt, auch schlichtweg unnötig. Alle Handlungsstränge abseits von Zach und Sarah sind leider relativ uninteressant und ziehen den Roman in die Länge.

Die Fokussierung auf das Hauptthema von Verlust und Trauer hätte auch vollkommen genügt. Erschütterung ist in jenen Momenten, wo Everett sich auf das Wesentliche konzentriert, unglaublich stark. Alles andere braucht der Roman eigentlich nicht. Sprachlich ist Everett ungewöhnlich und gewöhnungsbedürftig zugleich. Es ist ein durchaus spannender Stil, aber man muss ihn erst kennenlernen und sich damit anfreunden. Tut man das nicht, wird man sich mit dem gesamten Roman schwer tun. Erschütterung ist zeitweise wirklich erschütternd, aber leider auch viel zu oft komplett belanglos und nebensächlich. Wer über letzteres hinwegsehen kann, wird von dem Roman beeindruckt sein.

Erschütterung von Percival Everett, 288 Seiten, erschienen im Heyne Verlag.

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