See How They Run
Wer fürchtet, von den zahlreichen film- und theatergeschichtlichen Querverweisen in Mark Chappells dezidiert derivativem Drehbuch See How They Run ein paar zu verpassen, kann beruhigt sein: Tom George überbetont mit seiner plakativen Persiflage der spleenigen Spielarten britischer Unterhaltungskrimis jede einzelne der ohnehin selten subtilen Anspielungen. Letzte sind die einzige Daseinsberechtigung eines ebenso arrivierten wie affektierten Meta-Movies, dessen Stil weniger altmodisch ist als altbacken.
Statt mit inspirierten Ironisierungen der typischen Figurenparade eines Agatha-Christie-Stücks, wie der handlungszentralen und titelgebenden Mausefalle, bevölkert der Regisseur sein Kinodebüt mit Wiedergängern wie Sam Rockwells alkoholisierten Inspector Stoppard. Dessen Name erfordert natürlich eine Dialogzeile wie „a real Inspector, Hound.“
So ruiniert die systematisch-schematische Story nicht nur Insider-Gags, sondern den Whodunnit, in dessen revisionistischen Retro-Kulissen reaktionäre Ressentiments lauern. Das Star-Ensemble um Rockwell und Saoirse Ronans Constable Stalker verblasst hinter eindimensionalen Figuren, die ohne Spaß und Spannung von einem stilisierten Szenenstereotyp zum nächsten poltern. Die anachronistisch diverse Besetzung negiert nicht nur historische Diskriminierung, sondern retuschiert einen reaktionären Subtext.
Der dämonisiert mit gegenwartspolitischem Bezug eine Kritik an Aneignung und Ausbeutung seitens Privilegierter als verrückten Fanatismus einer spaßfeindlichen Unterschicht. Zumindest daran hätte die für ihren konservativen Elitarismus bekannte Agatha Christie ihre Freude gehabt. An der kläglichen Krimi-Farce drumherum weniger.
Regie: Tom George, Drehbuch: Mark Chappell, Darsteller: Sam Rockwell, Saoirse Ronan, Adrien Brody, David Oyelowo, Maggie McCarthy, Charlie Cooper, Ruth Wilson, Filmlänge: 98 Minuten, Kinostart (Deutschland): 27.10.2022