Encanto

Unter dem farbenfrohen Firnis unverfänglichen Humors und Lin-Manuel Mirandas generischer Popsongs versteckt Disneys 60. Jubiläumswerk Encanto überraschende Innovation: keine epischen Bewährungsproben, kein prospektiver Partner für Disneys erste bebrillte Animationsheldin, kein Feindbild. Die Progressivität der temporeichen Inszenierung unterminiert Regie-Trio Byron Howard, Jared Bush und Charise Castro Smith allerdings nicht nur mit der profanen Prämisse: Alle sind irgendwie besonders. Aber manche sind besonderer im Drei-Generationen-Haushalt der Madrigals. Ein Zauber segnet jedes Familienmitglied mit einer dessen soziale Position potenzierenden Gabe. Als die Magie schwindet, sieht die als Einzige unbesupergabte Mirabel (Stephanie Beatriz) ihre Chance auf Anerkennung – und die buchstäblichen Risse im Idealbild.

Das will Großmutter Abuela (María Cecilia Botero) wahren, weshalb sie Mirabels konfrontative Lösungsansätze als eigentliches Problem interpretiert. Ähnliches widerfuhr einst Mirabels Onkel Bruno (John Leguizamo). Dessen Ausschluss aus der äußerlich wunderbaren Familie ist neben Erfolgsdruck, Traumata und Perfektionismus ein ungewöhnlich reifes Thema, für das die quirlige Fantasy-Fabel magische Metaphern findet.

Die Verspieltheit der grandios animierten Flora und Fauna des fiktiven Kolumbiens, in das Krieg und Kolonialismus nur schemenhaft einbrechen, verniedlicht jedoch gerade diese spannenden Elemente unerbittlich und überschreibt die Kernaussage der Validität negativer Emotionen mit der weit opportuneren Botschaft, jede destruktive Dynamik könne aufgelöst und jede Gemeinschaft versöhnt werden.

Regie: Byron Howard, Jared Bush, Charise Castro Smith, Drehbuch: Lin-Manuel Miranda, Jared Bush, Charise Castro Smith, Stimmen (Original): Stephanie Beatriz, María Cecilia Botero, John Leguizamo, Diane Guerrero, Jessica Darrow, Filmlänge: 99 Minuten, Kinostart: 24.11.2021