Archive live in der Arena Wien
Gute zweieinhalb Jahre nach ihrem letzten Wien Konzert, und zwei Alben später ist das inzwischen britisch-amerikanisch-australische Musikerkollektiv Archive wieder auf Tour, selbstverständlich nicht ohne Wien-Stopp (damals noch Bauchklang-Sänger Pollard Berrier hat schließlich einige Jahre selbst hier gelebt).
Nach Flex und Wuk diesmal in der Arena, die, obwohl Archive in der hiesigen Musikpresse nicht gerade zu den Dauergästen zählen, bereits pünktlich zum „Vorfilm“ Axiom mehr als gut gefüllt ist. Den eigenen Film zum gleichnamigen Konzeptalbum zeigen, statt musikalischen Support mit auf Tour zu nehmen? Warum nicht. Den Fan freut’s, denn das einzige, das noch besser ist als Archive, ist mehr Archive – wenn auch vom Band. Weil aber nichts besser als Archive live ist, ist der Jubel groß, als das Konzert selbst dann mit den Nummern Feel It und Kid Corner vom aktuellen Album Restriction beginnt. Generell sind die neueren Lieder sehr zahlreich auf der Setlist vertreten, bei Archive meist eine logische Konsequenz relativ häufiger Band-Umbesetzungen; Songs aus Triphop-Zeiten ohne Gründungsmitglied Rosko John, spielt’s eben – im wahrsten Sinne des Wortes – nicht, Maria Q wird gesanglich teilweise von Holly Martin würdig vertreten, aber dennoch schmerzlich vermisst – hoffentlich nur auf dieser Tour.
Bandkonstellation und Gesamtkonzept funktionieren jedenfalls wie gehabt, auch live. Nicht zuletzt Dank der musikalischen Masterminds Darius Keeler und Danny Griffiths, die sich hauptsächlich für das Songwriting verantwortlich zeigen, und den drei völlig unterschiedlichen und unverwechselbaren Stimmen wie Holly Martins, die auf Restriction vermehrt zum Einsatz kommt und auch live in ihrer kraftvollen und dabei völlig unaufgeregten Art den Raum sofort für sich einnimmt. Lichtshow und Videowalls, auf denen sich bereits bekannte Filmfragmente der aktuellen Videos und Livebilder der Musiker selbst abwechseln, tun ihr Übriges und sind das visuelle Tüpfelchen auf dem akustischen I. Diese Band kann also scheinbar einfach nichts falsch machen (außer vielleicht Album Nummer 2, Take my Head, aus dem Jahre 1999 – sorry); jede Besetzung, jede neue Stimme, jeder musikalische Einschlag geht auf, als wären sie Monatelang ausgetüftelt und auf mögliche Fehlfunktionen getestet worden. Restriction, laut, rockig, unbefangen, reisst auch live die Menge mit, ja sogar in Wien.
Unbestrittenes Highlight ist allerdings wie zu erwarten Bullets, eine Nummer die wohl aus jeder noch so starken Setlist meilenweit heraussticht und gerne, wie so manch andere, noch 10 Minuten länger dauernd könnte. Die Stimmen von Pollard Berrier und Dave Pen in Höchstform, der Rest auf und vor der Bühne zieht mit, kein Halten mehr, Wien jubelt, singt und tanzt, bis zum bitteren Ende, das wie immer viel zu schnell kommt.
Ohne Zugabe geht aber natürlich auch Archive nicht und Archive spielt auch nicht nur einfach eine 08/15 Zugabe, sondern überrascht mit Lights, dem wahnsinns Titeltrack des Gleichnamigen Albums von 2006. Wer jetzt glaubt, das fast 20minütige Stück funktioniere live nicht weil zu lang und monoton, dem sei dringend nahegelegt eine der kommenden Shows aufzusuchen, denn alleine für eben diese 20 Minuten lohnt sich jeder in ein Ticket investierte Euro, jede noch so lange Anfahrt, jeder Rempler im Zuschauerraum und jede unfreiwillige Bierdusche vom aufgeregten Fan links hinten, ja, wirklich.