Der Junge und das Biest
Mamoru Hosoda zählt nach Werken wie Ame & Yuki – Die Wolfskinder zu den großen Namen der Anime-Industrie. Mit seinem neuesten Spielfilm versucht der Regisseur ein weiteres Mal das innere Kind seines Publikums wiederzuerwecken.
Der neunjährige Junge Ren (Aoi Miyazaki) läuft nach einer Familientragödie von zu Hause fort und wandert seitdem ziellos im Tokioter Stadtbezirk Shibuya umher. Als er eines Tages auf das sprechende Biest Kumatetsu (Koji Yakusho) stößt, unterbreitet ihm dieses ein unerwartetes Angebot, demzufolge Ren sein Schüler und in der ehrenhaften Kunst des Schwertkampfes ausgebildet werden soll. Durch seine kindliche Neugier beflügelt, folgt er dem bärenähnlichen Hünen durch ein verborgenes Portal nach Jutengai, wo sich allerlei Tierwesen tummeln und einem Großereignis entgegenfiebern, welches ihre Welt nachhaltig prägen wird.
Die erste Stunde der Geschichte ist unverkennbar an Karate Kid angelehnt und stellt die Beziehung zwischen dem jungen Ausreißer und seinem Lehrmeister in den Mittelpunkt. Mit diversen Trainingssequenzen und dem aufkommenden Selbstzweifel des menschlichen Protagonisten bedient Hosoda auf routinierte Art und Weise bekannte Elemente des Coming of Age, wobei lautstarke Wortgefechte zwischen Ren und Kumatetsu immer wieder für Auflockerung sorgen. Die Grenze zwischen Meister und Schüler verschwimmt überraschenderweise immer mehr, da die beiden Charaktere mit der Zeit das Leben des jeweils Anderen bereichern.
Ab der Hälfte ändert der Film dann seine bisherige Marschrichtung und schlägt erwachsenere Töne an. Die kindliche Leichtigkeit muss nun Elementen japanischer TV-Dramen weichen, was dem Film nicht unbedingt zu seinem Vorteil gereicht. Die Einführung weiterer Nebenfiguren beziehungsweise der plötzliche Aufbau eines Antagonisten präsentiert sich im Endeffekt etwas unausgegoren, worauf die Erzählung nicht mehr wie aus einem Guss wirkt und etwas gezwungen auf ein überladenes Finale zusteuert. Der Animationsstil des Werks ist allerdings wunderschön anzusehen, was sich vor allem bei den detaillierten Bewegungsabläufen der Figuren und der liebevoll gestalteten Welt samt ihrer Bewohner bemerkbar macht.
Einer holprigen Erzählstruktur und den teils unterentwickelten Nebenfiguren trotzend, versprüht Mamoru Hosodas moderne Fabel durch verwobene Themen über die Dunkelheit des menschlichen Herzens, immerwährende Freundschaft und Elternschaft eine wohlige Wärme, wie man sie sonst nur im Hause Ghibli zu finden vermag.
Regie und Drehbuch: Mamoru Hosoda, Synchronsprecher: John Swasey, Bryn Apprill, Kumiko Asô, Morgan Berry, Jessica Cavanagh, Luci Christian, Filmlänge: 119 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 29.07.2016