Armee im Schatten
Mit dem Kriegsdrama Armee im Schatten kommen wir zum Ende unserer Jean-Pierre Melville Rundschau – und was für ein Abschluss das ist.
Frankreich zur Zeit der Besatzung durch Hitler und die Nationalsozialisten. Philippe Gerbier (Lino Ventura) ist Untergrundkämpfer gegen das feindliche Regime. Gemeinsam mit gleichgesinnten wie Mathilde (Simone Signoret), seinem alten Freund Jardie (Jean-Pierre Cassel) und anderen, tut er alles in seiner Macht stehende um die Nazis zu vertreiben und zu bekämpfen. Eine schmale Gratwanderung, die beim kleinsten Fehler auch sein Leben und das seiner Gefährten beenden kann. Entdeckung, Verhaftung und Tod stehen an der Tagesordnung und machen aus jener Armee im Schatten eine stoische Front gegen das Grauen der Nationalsozialisten, das ihnen gleichzeitig auch selbst jedwede Menschlichkeit mit zunehmender Kriegsdauer austreibt.
Wie in den besten Werken des Schriftstellers John le Carré, gibt es auch bei Melville und seinen Untergrundkämpfern kein Heldentum, keine Heldenverehrung und vor allem kein Actionspektakel eines James Bond. Stattdessen besticht Armee im Schatten mit einem nüchternen Erzählstil, ausgewaschenen, tristen Farben und (lebens)müden, überdrüssigen Figuren, die sich über ihr eigenes fatalistisches Schicksal in jeder Minute ihres Daseins bewusst sind. Melville, der selbst ein aktiver Teil jenes Widerstands gegen die Nazis war und später deshalb nach England fliehen musste, glorifiziert und mystifiziert nichts, den ganzen Film über bleibt er einem sachlichen, ruhigen Stil treu, der stets darauf bedacht ist den Kontrast darzustellen, der einerseits zwischen dem Kampf für die Menschlichkeit und andererseits dem Verlust der Menschlichkeit jener Kämpfer besteht. Dieser sich langsam in die Herzen der Figuren einschleichende Verlust wird unter anderem durch wenige, wohl platzierte Gewaltszenen dargestellt, die gerade durch ihre beinahe mechanische Ausführung weitaus grausamer und brutaler wirken, als so manche Gewaltexzesse heutiger Filme.
Armee im Schatten ist ein leises und vielleicht sogar heimliches Meisterwerk von Jean-Pierre Melville, dessen Filmographie mit so manchen grandiosen Leistungen bestückt ist. Die Geschichte zieht seine Faszination und Spannung aus den Schicksalen seiner Figuren, die sich stets darüber bewusst sind, dass sie, wie so oft bei Melville, kein gutes Ende erwarten wird und selbst Angesichts dieser ständig über sie schwebenden Bedrohung ihre Arbeit fortsetzen, weil sie es tun müssen, weil es sonst niemand tut. Melville zementiert mit Armee im Schatten einmal mehr die Tatsache, dass er wahrlich zu einem der ganz großen Filmemacher zählen muss, den man mit jedem seiner Filme neu- und wiederentdecken kann, weil er es perfekt verstanden hat stilsichere Unterhaltung mit vielschichtigen Tiefgang zu kombinieren.
Regie und Drehbuch: Jean-Pierre Melville, basierend auf dem Roman von Joseph Kessel, Darsteller: Lino Ventura, Paul Meurisse, Jean-Pierre Cassel, Simone Signoret, Claude Mann, Paul Crauchet, Filmlänge: 145 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 02.08.2018