Festival-der-Nationen-2018-(c)-2018-Festival-der-Nationen(7)

Festival der Nationen 2018 – 1. Akt

Zum nunmehr 46. Mal fand in Lenzing, einem kleinen Ort in der Nähe des Attersees, das Festival der Nationen statt und rückte die Gemeinde für eine ganze Woche in den Mittelpunkt des internationalen Kurzfilms.

Von 18. bis 24. Mai wurden dem Publikum 103 Filme aus den Kategorien Fiktion, Dokumentation und Animation präsentiert, wobei ein üppiges Rahmenprogramm auch außerhalb des Kinosaals für Spaß und gute Laune sorgte. Während der Festivaleröffnung gab sich sogar der österreichische Filmemacher Adrian Goiginger (Die beste aller Welten) die Ehre und bereicherte die Veranstaltung mit seiner Präsenz.

Wir bekamen abermals die Gelegenheit, die besondere Atmosphäre dieses Festivals auszukosten und wollen eine unvergessliche Zeit voller neuer Eindrücke, Herzlichkeit und Liebe zum Film Revue passieren lassen. Außerdem darf man sich neben der abschließenden Auflistung der Preisträger auf zwei exklusive Schmankerl mit Boris Dobrovolskiy, Regisseur des Festivalgewinners The Rope, sowie Jonas Riemer, Regisseur des Kurzfilms Mascarpone, freuen.

Nach einer reibungslosen Anreise und der ersten Akklimatisierung mitsamt leckerem Essen geht es per Shuttle zum örtlichen Lichtspielhaus in Lenzing. Wenn man zum ersten Mal den Kinosaal betritt, überkommt den geneigten Filmliebhaber beim Anblick des roten Leinwandvorhangs ein nostalgisches Gefühl. Man spürt förmlich, dass hier das Medium Film mit all seinen Facetten gelebt und diese Leidenschaft von allen Anwesenden geteilt wird. Für einen kompletten Neuling in Bezug auf Filmfestivals gibt es in Österreich wohl keinen passenderen Ort, um sich davon infizieren zu lassen. Mit der von Reza Sobhani inszenierten Dokumentation One Kilogram of Fly’s Wing wird schließlich der erste Filmblock des Tages eröffnet. Diese setzt sich mit der sogenannten Mahr, einer im Iran gängigen Mitgift, auseinander. Der Film ist aufgrund des lauten und aggressiven Sprachmusters oder der zu schnell getakteten Untertitel leider kein filmisches Highlight, vermittelt aber zumindest den Blick in einen fremden Kulturkreis.

Im Gegensatz dazu weiß der argentinische Animationsfilm Corp von Pablo Polledri mit seiner gelungenen Kritik an der kapitalistischen Gesellschaft zu gefallen. Im Anschluss daran bekommt das Publikum mit Entschuldigung, ich suche den Tischtennisraum und meine Freundin eine ruhig erzählte beziehungsweise schön gefilmte Coming of Age-Geschichte des aufstrebenden österreichischen Regisseurs Bernhard Wenger zu sehen, dessen Hauptfigur in der malerischen Kulisse eines abgelegenen Kurhotels zu sich selbst finden muss. An dieser Stelle sei auf eine weitere Besonderheit hingewiesen, wie sie wohl sonst bei keiner vergleichbaren Veranstaltung vorherrscht: unmittelbar nach jedem Filmblock findet ein reger Austausch zwischen der Jury, dem Publikum und den anwesenden Filmschaffenden statt und verschafft so einen tieferen Einblick in den Entstehungsprozess der gezeigten Filme.

Im folgenden Block sticht, neben allerlei hartem Tobak, vor allem der brasilianische Beitrag The Dress of Myriam mit seiner poetischen Erzählung des Alters heraus. Regisseur Lucas H. Rossi schafft es, in schwarz-weißen Bildern ein würdevolles Porträt eines betagten Ehepaares zu zeigen und gleichzeitig die heutige Gesellschaft für das Thema Tod zu sensibilisieren. Zur wohltuenden Abwechslung gibt es dann im vorletzten Block des Tages mit Sergei Ryabovs knuffigem Dreiminüter 6:1 etwas Balsam fürs Gemüt. Hierbei handelt es sich um einen sehr charmanten Stop-Motion-Film, der mit dem Brettspiel zwischen Mädchen und Katze eine perfekte Symphonie von Bild und Ton auf die Leinwand zaubert.

Auch für Fans des Horrorgenres hält das Festival in diesem Jahr in Form der Horror Night einen eigenen Block bereit. Es werden fünf Filme aus Spanien, Österreich, Deutschland, Amerika und Großbritannien gezeigt. Während das österreichische Werk Goodnight von Valentin Wanker mit der albtraumhaften Odysee einer jungen Frau in sieben Minuten eine dichte Atmosphäre erzeugt, gelingt dies dem deutschen Beitrag Dark Dreamer aufgrund schwacher Schauspieler und dem fehlenden Gespür für spannende Momente leider überhaupt nicht und bleibt während unseres Aufenthalts am Attersee der einzige Film, der keinen Applaus erntet. Der britische Film Doris von Hayder Hasen ist allerdings als gelungener Abschluss der Horror Night zu werten. Die perfekt gecastete Hauptdarstellerin hat an ihrer Rolle als diabolische Nachbarin sichtlich ihre helle Freude, während man als Zuschauer die Fingernägel in der Armlehne vergräbt.