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Der Nino Aus Wien – Wach

5
Austro-Pop

Objektiv betrachtet – und das wird vom ersten Song an klar – ist die Musik von Der Nino aus Wien grottenschlecht. Angefangen vom einfallslosen Songwriting bis hin zum technisch mehr als bedenklichen Gesang ist das Album so gesehen – bis auf kleinere Ausnahmen – eine Katastrophe. Und trotzdem versprüht Wach einen gewissen geheimnisvollen Charme, der fern jeglicher Objektivität anzutreffen ist und einen, ob man will oder nicht, zumindest zeitweise gebannt hinhören lässt. Aufgenommen wurde es mithilfe von Wanda-Produzenten Paul Gallister und das Cover-Artwork wurde von Natalie Ofenböck gestaltet.

Verträumt und nach sehr viel Sechziger- und Siebzigerjahre klingend nimmt Was ich schon gefunden hab als Opener sehr viel vorweg: Die rosig verhallte Gesangsstimme, die sympathische Halbherzigkeit und den markanten Oldschool-Sound, der unter anderem durch die Aufnahmemethode zustande kam. Wach wurde nämlich auf Band aufgenommen, zumindest wird das Album damit beworben und das scheint auch durchaus glaubwürdig zu sein. Textlich hat sich nicht sonderlich viel zu früheren Releases geändert. Sätze wie “Bücher und Musik und Film und Fußball sind mir so egal. Ich pass höchstens auf, dass ich nicht umfall“, ein Auszug der Lyrics von Was soll ich anderes, spiegeln die Gesamtstimmung von allen Songs auf Wach sehr gut wieder.

Die größte Überraschung ist sicherlich Tränen machen wach. Der Nino aus Wien klingt hier auf einmal viel moderner und stark nach deutschem Indie-Pop. Dieser Stilbruch steht seiner Stimme verblüffend gut und der Song klingt generell sehr erfrischend. Anstatt durchgehend geschlagenen Gitarren werden nur Akzente mit Melodien gesetzt und Synth Drums werden als rhythmische Erweiterung zum Schlagzeug hinzugefügt. All das macht Tränen machen wach zum stärksten Song des Albums. Genauso aus der Reihe tanzt Zeit zum Werden. Auf den knapp zweieinhalb Minuten wird der klassisch gitarrenlastige Austropop durch atmosphärische Sitarmusik ersetzt – ganz im Sinne der Sechziger. Der exotische Sound, der so entsteht, bleibt als zweiter Höhepunkt von Wach im Gedächtnis.

Bis auf die zwei genannten Ausnahmen hört sich der Rest des Albums jedoch größtenteils gleich langweilig und überholt an. Auch wenn produktionstechnisch gute Arbeit durch passende Kleinigkeiten und nicht zu aufdringliche Spielereien geleistet wurde, bleibt das Songwriting unterdurchschnittlich. Eine Weiterentwicklung im Vergleich zu den vorigen Alben ist kaum zu erkennen und auch der “Austropop”-Bonus wird nicht ewig als Verkaufsargument greifen. Trotz der zahlreichen Kritikpunkte hat Wach einen gewissen Charme, nicht unbedingt hohen Kultwert, aber doch eine Art Ausstellungswert, der dieses Album gewissermaßen gegenüber Kritik erhaben sein lässt. Für Nostalgiker wird Wach ein großartiges Album sein und auch beim Austropop Publikum wird es gut ankommen, auch wenn der Dialekt wieder ausgespart wurde. Trashiger Austropop also, der auf Austro-Dialekt verzichtet und zweimal sogar außerhalb der eigenen Komfortzone glänzt. Mehr Experimentelles wie Tränen machen wach würden dem Nino zukünftig auf jeden Fall gut tun und ihm möglicherweise einen markanteren Stil und somit mehr Wiedererkennungswert einbringen.

Der Nino Aus Wien – Wach, Problembär Records, derninoauswien.com