Ricky – Wunder geschehen
In Ricky – Wunder geschehen von François Ozon hält ein kleines Baby eine große Überraschung für seine Eltern und Schwester bereit.
Als magischen Realismus bezeichnet man allgemein Werke, die auf natürliche Weise reale Wirklichkeit und fantastische Realität miteinander verschmelzen und damit das Wunderbare in den Alltag einbetten, um eine dritte Realität zu erschaffen. Für gewöhnlich ist dies eine Genrebezeichnung die sich hauptsächlich auf Literatur und Malerei bezieht und deren bekannteste Schriftsteller unter anderem Franz Kafka, Gabriel Garcia Marquez und Salman Rushdie sind. Mit Ricky – Wunder geschehen liefert der französische Regisseur François Ozon nun einen Film ab, der ebenfalls ohne weiteres dieser Genrebezeichnung zuzuordnen ist.
Dabei zeigt sich der Regisseur besonders talentiert in der Zeichnung des realen Milieus seiner Protagonisten. Die Schilderung des Lebens seiner Hauptfiguren ist prägnant und präzise. Ohne sich in unnötige Abschweifungen zu verlieren, schafft er es mit wenigen, aber umso mehr gekonnt gefilmten Szenen das Schicksal einer Arbeiterfamilie und alleinerziehenden Mutter darzustellen. Umso glücklicher ist man dann auch als Zuschauer, wenn die Mutter einen neuen Mann und hoffentlich auch guten Vater für ihre Tochter findet. Dies ist neben der Regie auch den überaus überzeugenden Schauspielern zu verdanken. Neben Alexandra Lamy als die alleinerziehende Mutter Katie und Sergi López als Paco, dem neuen Mann in ihrem Leben, ist es die kleine Mélusine Mayance als Katies kleine Tochter Lisa, die gerade durch ihr zurückhaltendes Spiel die große emotionale Ambiguität und Zerbrechlichkeit ihrer Figur eindringlich und nachvollziehbar darstellt.
Als Katie und Paco sich begegnen, geschieht etwas Magisches: sie verlieben sich Hals über Kopf ineinander, wodurch Katie ganz darauf vergisst ihrer kleinen Tochter Lisa den neuen Mann gebührend vorzustellen. Dementsprechend überrumpelt fühlt sie sich, als sie Paco eines Morgens bei ihnen am Frühstückstisch sitzen sieht. Trotz Lisas anfänglichem Misstrauen, zieht Paco bald bei den beiden ein und zeigt sich als geduldiger und liebevoller Ersatzvater. Als dann auch noch der süße, blauäugige Ricky (Arthur Peyret) zur Welt kommt, scheint Katies Glück vollkommen zu sein. Der kleine Ricky ist aber kein normales Baby, er hat eine außergewöhnliche, übernatürliche Überraschung für die Familie parat und stellt alle vor neue Aufgaben.
François Ozon liefert hier eine dramatische, aber auch mit reichlich Humor gespickte Story, die er zum Glück (großteils) fernab von Klischees und Kitsch erzählt. Zudem legt die Geschichte ein beachtliches Tempo an den Tag. Es sind wirklich nur Szenen enthalten, die absolut notwendig sind und zur Entwicklung des Films beitragen. Trotzdem ist Ricky – Wunder geschehen an manchen Stellen recht vorhersehbar. Natürlich ist die außergewöhnliche Fähigkeit Rickys eine interessante Wendung, dennoch wirkt manches recht bekannt, was aber nicht zwangsläufig dazu führt, dass der Film langweilig wird. Dies liegt sicher zum einen an der zügigen Erzählweise und zum anderen an den gelungenen Figuren und gekonnten Darstellungen.
Ricky – Wunder geschehen basiert auf der Kurzgeschichte Moth von Rose Tremain und wie schon zuvor bei Ozon steht auch diesmal eine starke Frauen- und Mutterfigur im Mittelpunkt. Der Film schildert vor allem die Überwindung der Einsamkeit und wie sich eine Familie, trotz übernatürlicher Umstände, zusammenrauft. Dies ergibt ein durchaus gelungenes, neumodisches Märchen, welches zwar nicht immer so interessant und aufregend ist, wie es der Filmemacher gerne hätte, aber zumindest die ganze Zeit über seine Zuschauer unterhält.
Ricky – Wunder geschehen ist ein sympathischer Film, voller Tragik und Humor, und besticht vor allem durch die ehrliche Schilderung des Alltags seiner Hauptfiguren. Dass sich noch eine magische Note dazu gesellt sorgt zwar für zusätzliche Spannung, wird aber nicht immer konsequent durchgeführt bzw. bekommt zu wenig Platz im Verlauf der Handlung eingeräumt. Talentierte Schauspieler und eine temporeiche Inszenierung sorgen für ein unterhaltsames Filmvergnügen. Und auch wenn Ricky – Wunder geschehen nicht François Ozons bester Film ist, so ist ein Film von einem der interessantesten französischen Regisseure allemal sehenswert.
Regie und Drehbuch: François Ozon, Darsteller: Alexandra Lamy, Sergi López, Mélusine Mayance, Arthur Peyret, André Wilms, Filmlänge: 90 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 08.10.2009