Remainder
Wenn die Verfilmung von Tom McCarthys Erfolgsroman so vielschichtig ist, wie sie vorgibt, ist der Titel womöglich eine Anspielung auf die Schnipsel und Überreste der anderen Filme, auf die der Psychothriller anklingt.
Wenig wirkt originell oder authentisch an Omer Fasts Spielfilmdebüt, doch das ist vielleicht die Absicht des Regisseurs, dessen Hauptfigur den Finger auf „repeat“ gedrückt hält. Remainder fühlt sich an wie Und täglich grüßt das Murmeltier ohne die Gags, besetzt mit einem manischen Helden ähnlich dem in Memento, garniert mit dem schwarzhumorigen Surrealismus Terry Gilliams. Der israelische Videokünstler Fast nutzt die Buchvorlage für eine visuell eingängige Konfrontation mit seinen bevorzugten Motiven. Die psychologischen Auswirkungen des Reenactment realer Ereignisse, die Subjektivität von Geschichte, die Konstruktion von Wirklichkeit und Erinnerung, Nostalgie und die narrative Macht des Erzählers sind nur einige davon.
Jedes wird nur flüchtig angerissen in der Story um den seltsam gefühlskalten Tom (Tom Sturridge). Auf den jungen Mann fällt zu Beginn ein schwarzes Objekt, als er mit einem Rollkoffer unterwegs ist. Später wird klar, dass der Koffer die Beute eines Banküberfalls enthält, was so ziemlich die einzige Entschuldigung dafür ist, mit so einem Ding rumzulaufen. Doch davon und vom Rest seines Lebens weiß Tom nach dem Unfall nichts mehr. Als Entschädigung für den Verlust seines Gedächtnisses erstreitet ihm ein von Toms aalglattem Kumpel Greg (Ed Speleers) engagierter Anwalt achteinhalb Millionen Pfund. Damit könne er neu anfangen, sagt der Anwalt. Aber Tom will kein neues Ich-Bewusstsein, sondern das verlorene zurückerlangen.
Mit Unterstützung des mysteriösen Naz (Arsher Ali) engagiert er Schauspieler, die in lebensechten Kulissen seine unscharfen Erinnerungsfetzen und Traumbilder nachspielen. Durch das minutiöse Nachspielen immer bizarrerer Szenarien in unendlicher Wiederholung verspricht sich Tom emotionale Eindrücke, die sich echt anfühlen. Tatsächlich verliert er sich immer mehr in der fiktiven Realität, in der er allmächtiger Regisseur ist. Die ihm romantisch zugetane Catherine (Cush Jumbo) und zwei brutale Ganoven, die seinen Weg kreuzen, scheinen sich vom Set eines Gangsterfilms in Fasts psychologische Groteske verirrt zu haben.
Laut Autor McCarthy entsprang das Buch einer Vision, die er hatte, als er auf einer Party „schon ziemlich geistesabwesend“ auf einen Mauerriss starrte. Auf der Leinwand erlebt der Protagonist McCarthys Déjà-vu von Klaviermusik, dem Geruch nach gebratener Leber und Katzen auf dem Dach. McCarthy kam ein Gedanke: „Wäre es nicht toll, wenn du alles Geld der Welt hättest, um halb erinnerte Dinge zu rekonstruieren?“ Alles Geld der Welt haben wäre garantiert toll! McCarthy ist dem ein kleines bisschen nähergekommen, nachdem sein Roman über einige Umwege zum Bestseller wurde.
Die Botschaft des daraus destillierten Filmpuzzles sei hart, erklärt Fast. Wer die Vergangenheit wirklich verstehe, sei verdammt, sie zu wiederholen. Das wäre zugleich eine Erklärung dafür, warum Remainder zu oft wie die stilisierte Wiederholung von Momentaufnahmen aus der Kinovergangenheit wirkt.
Regie und Drehbuch: Omer Fast, Darsteller: Tom Sturridge, Cush Jumbo, Ed Speleers, Arsher Ali, Filmlänge: 103 Minuten, Kinostart: K.A., gezeigt auf der Berlinale 2016