Mad Max: Fury Road
George Miller schickt in Mad Max: Fury Road Tom Hardy und Charlize Theron ins Ödland, wo eine Actionsequenz die nächste jagt. Eine Over-the-Top Materialschlacht vom Feinsten, mit ein paar haarsträubenden Momenten als Straßensperren.
Gleich zu Beginn wird “Mad” Max Rockatansky (Tom Hardy) von den Schergen des brutalen Warlords Immortan Joe (Hugh Keays-Byrne) geschnappt und versklavt. Erst als sich Imperator Furiosa (Charlize Theron) einem Befehl Immortan Joes widersetzt und gemeinsam mit Joes “kostbarster Fracht” flieht, gelingt auch Max die Flucht. Gemeinsam mit Furiosa gilt es nun Immortan Joe und seiner brutalen Kriegshorde zu entkommen – und natürlich, den ständigen Kampf ums Überleben zu gewinnen.
Lange ist es her, dass Mel Gibson mit der Titelrolle berühmt wurde und Miller eine Leinwandikone kreierte. Deshalb nahm sich der Filmemacher vor, mit Mad Max: Fury Road ein Reboot zu starten. Vergessen ist die Geschichte der Vorgänger, erzählt wird etwas neues. Dabei ist die Geschichte so geradlinig und einfach, wie nur möglich, denn die Ziele der Menschen in einer zerstörten Welt sind denkbar simpel (aber auch nachvollziehbar) gestaltet: überleben. Mad Max: Fury Road lebt deshalb vor allem von zwei Dingen. Einerseits seinen Figuren, andererseits von seiner dynamischen Inszenierung.
Skurrile Figuren und ein animalischer Max
Besonders Max selbst erlebt hier nicht nur eine Verjüngungskur, sondern auch in seiner Darstellung eine auffällige Veränderung. Während Gibsons Darstellung trotz seines stoischen Charakters ein gewisses Maß an symphatischen Spitzbubentums einverleibt war und dadurch Max gleichsam unnachgiebig aber auch menschlich wirkte, legt Hardy seinen Helden weitaus animalischer, verwildeter und aggressiver an. Flashbacks und Erinnerungsfetzen versetzen den Zuschauer in die Gedanken- und Gefühlswelt von Max, dienen als Visualisierung seines inneren Verfassungszustandes, sind aber vergleichsweise plumpe Darstellungsmittel und oftmals deplatziert, kommen sie doch stets zu den denkbar ungünstigsten Momenten. Ein visueller Kniff, der eigentlich gar nicht notwendig gewesen wäre, denn auch wenn Max auf den ersten Blick brutaler und entmenschlichter wirkt, erkennt man bei genauerem Hinsehen Hardys Nuancen, mit denen er aus seinem „Mad“ Max ebenfalls einen zutiefst verletzlichen und verletzten Helden macht, einen einsamen und brutalen Wolf, der durch das Ödland der Welt streift.
Die Komprimierung bzw. beinahe gänzliche Aussparung seiner Vorgeschichte setzt dem Zuschauer gewissermaßen einen fertigen Protagonisten vor, der bereits zu Beginn nichts mehr zu verlieren hat und in erster Linie um seine (seelische) Erlösung kämpft – ein langer, steiniger Weg, der da vor ihm liegt. Aufgrund dessen bietet er sich weniger als emotionales Zentrum, denn als mythischer Wegbegleiter an, der seinen Charakterbogen noch lange nicht ausgereizt hat. Um das Publikum aber dennoch schon in Mad Max: Fury Road emotional zu binden, bietet sich Furiosa (schlagkräftig: Charlize Theron) an. Sie stellt sich in den Vordergrund und ist von Beginn an, der eigentliche Protagonist der Handlung. Eine ähnliche Figurenkonstellation konnte man schon in dem unterschätzten Dredd sehen.
Während der titelgebende Held eben genau das ist, nämlich der Held, der den Tag rettet, ist es die vermeintliche Nebenfigur, die das emotionale Zentrum des Films bildet. Eine nicht unerhebliche Trennung der Begriffe “Held” und “Protagonist”. Was jedoch nicht bedeutet, dass Tom Hardys Leistung der von Charlize Theron in etwas nachsteht. Beide (und im Grunde fast das gesamte Ensemble) spielen ihre Rollen mit Hingabe und gekonnt. Überhaupt gelingt Miller und seinen Schauspielern das Kunststück übertriebene, skurrile Figuren (im Rahmen ihrer Welt) überraschend glaubwürdig und nachvollziehbar darzustellen. Einzige Ausnahme bildet hierbei leider Nicholas Hoult, dessen Charakter stellenweise deplatziert und schlichtweg unnötig erscheint.
Dynamisch und actionreich inszeniert
Der andere große und großteils gelungene Aspekt von Mad Max: Fury Road ist seine Inszenierung. George Miller drückt gleich von Anfang an ordentlich aufs Tempo. Rasanter Einstieg, reichlich Action und eine, beinahe über den gesamten Filmverlauf aufrechterhaltene, Dynamik und Geschwindigkeit. Ähnliches Credo wie für die Figuren im Film: wer stehenbleibt, stirbt – Bewegung bedeutet eine Überlebenschance. Es gibt Verschnaufpausen und die braucht der Zuschauer dringend, denn eine Verfolgungsjagd folgt der Nächsten, eine Actionsequenz nach der Anderen. Ohne den nötigen, kurzen Pausen dazwischen, wäre der Film eine Reizüberflutung. Denn auch wenn die Actionsequenzen durchaus gelungen und stilsicher inszeniert sind, so zeigt sich auch hierbei ein großer Unterschied zu den früheren Mad Max-Filmen.
Die Action ist übertrieben. Genau wie die Figuren. Alles wird auf die Spitze getrieben. Das Schlagwort “Suspension of Disbelief” ist in Mad Max: Fury Road nicht minder wichtig als im nächsten Superhelden-Film. Karambolagen sind in dieser filmischen Welt zwar an der Tagesordnung, was die Figuren jedoch überleben, ohne großen Schaden zu nehmen, lässt sich nur schwerlich rechtfertigen. George Miller versteht sich aber darauf imposante Actionszenen so mitreißend zu inszenieren, dass manche dieser übertriebenen Momente gar nicht so sehr ins Gewicht fallen bzw. leicht übersehen werden können. Zudem vermeidet er das beinahe schon stereotype grau-saturierte, farblose Bild einer postapokalyptischen Welt, stattdessen setzt er seine Figuren, die Action und die Landschaft mit sehr kräftigen, satten Farben und zeitweise richtiggehend atemberaubende Aufnahmen in Szene – er findet sozusagen das Schöne innerhalb all dieser Zerstörung und Gewalt. Eine durchaus beachtliche Leistung.
Mad Max: Fury Road ist der perfekte Einstand für eine neue Mad Max-Reihe. Laut, brutal, schnell, actionreich und wortkarg. Es wirkt fast wie eine einzige, lange Sequenz, beißt man einmal an und findet Geschmack an dem Film, lässt er einem nicht so schnell wieder los. Ist Mad Max: Fury Road ein lang erwartetes Meisterwerk von “Mastermind” George Miller und setzt neue Genremaßstäbe? Nein. Ist es ein unterhaltsamer, überaus sehenswerter Film mit genug Potenzial nach oben um auch eine mögliche Fortsetzung interessant zu machen? Ja, auf jeden Fall. Mad Max: Fury Road ist definitiv ein gelungenes Reboot und erlaubt Tom Hardy hoffentlich diese Figur noch mehrmals spielen zu können.
Regie: George Miller, Drehbuch: George Miller, Brendan McCarthy, Nick Lathouris, Darsteller: Tom Hardy, Charlize Theron, Hugh Keays-Byrne, Nicholas Hoult, Josh Helman, Zoe Kravitz, Filmlänge: 120 Minuten, Kinostart: 14.05.2015, www.madmaxmovie.com