ParaNorman (3D)
Ganz egal wie beeindruckend die Möglichkeiten des computergenerierten Bildes mittlerweile auch sein mögen: In Bezug auf die fantastische Welt der Filmanimation gibt es wohl keine Technik, die mehr Charme, Skurrilität und Herzblut aller Beteiligten mit sich bringt als Stop-Motion…
Umso erfreulicher ist es demnach, dass das im Jahr 2005 gegründete amerikanische Animationsstudio Laika der CGI-Maschinerie den Rücken kehrte und sich auf den Weg großer Puppentrick-Meister wie Nick Park oder Tim Burton (vor seinem „Alice in Wonderland“ CGI Desaster) begab. Mit „Coraline“ (2009) gelang dem jungen Studio auch sogleich ein kleines Meisterwerk, das wohl in keinem Animationsfilm-Liebhaber-DVD-Regal fehlen sollte. In diesem Sommer startet nun endlich Laikas lang ersehnte neue Produktion in unseren Kinos – und bleibt leider ein wenig hinter den Erwartungen zurück.
„ParaNorman“ erzählt die Geschichte des jungen Norman, der sich von anderen Kindern in einer wesentlichen Sache unterscheidet: Er sieht tote Menschen. Im Gegensatz zu seinem Leidensgenossen Cole aus „The Sixth Sense“ verspürt er dabei allerdings weniger panische Angst als Langeweile und Frust – brandmarkt ihn die unerwünschte Fähigkeit doch in den Augen seiner Schulkameraden sowie seiner Familie als ultimativen Sonderling. Und dann soll auch noch ausgerechnet Norman derjenige sein, der die Stadt vor einem 300-jährigen Hexenfluch, einer Horde stöhnender Puritaner-Zombies und einem wütenden Bürger-Mob rettet.
Wie schon „Coraline“ besticht auch „ParaNorman“ mit seiner Stop-Motion-Optik, in der sich die plastische Dreidimensionalität sowie die Kreativität und Hingabe der Animatoren nicht nur sehen, sondern regelrecht spüren lassen kann. Man fühlt sie in jeder einzelnen Figuren-Bewegung; im großen Wald bestehend aus Küchenkrepp-Fetzen, Farbe, Leim und vorgekauten Vollkornbrötchen; in dem tatsächlich nur 15 Millimeter großen Modell eines Parfüm-Zerstäubers, den Normans Mutter im Kampf gegen die Zombies einsetzt; in all den wahnsinnigen Frisuren und Bärten; in den Frankenstein-Pantoffeln und all den weiteren liebevollen Ausstattungs-Details im Hintergrund, die – jedes einzelne für sich – wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätten.
Wohingegen uns jedoch „Coraline“ des weiteren auch in eine inhaltlich fantastische Welt entführt und mit einer skurrilen Geschichte sowie noch weit skurrileren Charakteren überzeugt, ruht sich „ParaNorman“ leider zu sehr auf klassischen Figuren- und Handlungs- Klischees aus, bedient sich ein wenig bei Stephen Spielbergs 80er Jahre Familienfilmen, Romeros Zombies und den japanischen Rache-Geistern. „ParaNorman“ tritt als Horror-Komödie auf, bringt jedoch weder den nötigen originellen Witz noch den düsteren Grusel an den richtigen Stellen zum Einsatz und kommt einfach nicht vollends in die Gänge. Zwar entsteht durch die Optik, die Figuren-Beschaffenheiten oder Requisiten durchaus an einigen Stellen charmante Situationskomik, der Wortwitz hingegen schleppt sich so lahm durch den Film wie die halb verwesten Zombies.
„ParaNorman“ ist ein Zombiefilm für Kinder, der nebenbei ohne allzu großen pädagogischen Zeigefinger eine Coming of Age Geschichte darüber erzählt, dass es nicht schlimm ist, anders zu sein. Und das ist auch gut so. Allerdings hat der Film für Erwachsene auch inklusive der kleinen Anspielungen auf Horror-Klassiker wie „Halloween“ eher wenig zu bieten. Und ein wenig mehr Grauen hätte man den Kindern schon zumuten dürfen – denn sympathisch erbärmliche Zombies haben letztendlich leider ebenso wenig Reiz wie die liebenswürdigen Piraten in Aardmans „Pirates! Band of Misfits“. Übrigens: Am Ende des sehr gelungenen Abspanns gibt es als Bonusfeature noch zu sehen, wie die Figur des Norman im Studio zum Leben erweckt wird.
Regie: Sam Fell & Chris Butler, Drehbuch: Chris Butler, Sprecher: Kodi Smit-McPhee, Anna Kendrick, Casey Affleck, John Goodman, Leslie Mann und Christopher Mintz-Plasse, Laufzeit: 93 Minuten, Kinostart: 24. 08. 2012