127-Hours-©-2011-20th-Century-Fox

127 Hours

9
Drama

Between a Rock and a Hard Place – vielsagender und zugleich eleganter kann man ein Buch kaum betiteln, um seinen Inhalt zur Gänze wiederzugeben, aber dennoch den Kern der Erzählung bedeckt zu halten. Die darin geschilderte (wahre) Geschichte dürfte auch beim britischen Kultregisseur Danny Boyle bleibenden Eindruck hinterlassen haben, den dieser hat sich für seinen neuen Film 127 Hours den Stoff in all seiner Härte und Brillanz angenommen.

Zuallererst sollte das hervorragende Gespür Boyles für großartige Vorlagen hervorgehoben werden: Wirft man eine Blick auf das Oevre des Briten, so zeigt sich schnell, das die einfachsten, rudimentärsten und teils banalsten Geschichten von ihm mit derart umwerfender Stilistik und inszenatorischer Ästhetik in Szene gesetzt werden, das sein Ruf mehr als gerechtfertigt erscheint. Die Rolle eines Produzenten seiner Filme möchte man im Vorfeld ohne nötige Vorkenntnis aber wohl kaum einnehmen: Geschichten über Junkies (Trainspotting), ein Herr der Fliegen-Reimagining (The Beach), ein Horrorfilm in einem menschenleeren London (28 Days Later) oder ein Drama rund um indische Waisenkinder (Slumdog Millionaire) – verständlicherweise ein Albtraum ohne die Vision eines Danny Boyle. Nun ein Werk über einen egozentrischen Sportler, der in einer Extremsituation sein Leben überdenkt, während er zugleich langsam in eine Psychose übergeht.

Der Fokus der Erzählung – und das ist zugleich auch Boyles Steckenpferd – liegt also abermals weniger auf komplizierten Charakterkonstellationen, verstandbetäubenden Storywendungen oder einem bombastischen Effektspektakel, sondern vielmehr auf dem Protagonisten und dessen Innenleben. Obwohl der Regisseur schon am Beginn mit rasanten Bildfolgen, vielsagenden Zwischenschnitten, Split-Screen-Aufnahmen und dergleichen sein handwerkliches Geschick unter Beweis stellt, macht sein Werk handlungsbedingt nach vielen großartigen Landschaftsaufnahmen und einer ersten Einführung in das Leben der Hauptfigur plötzlich eine inszenatorische Vollbremsung. Nachdem sich der umgängliche, lebensfrohe Bergsteiger bzw. Schluchtenwanderer Aron (grandios gespielt von James Franco) bei einem unglücklichen sowie in weiterer Folge verhängnisvollen Missgeschick in einer verzwickten Lage wiederfindet, ist er erstmals einer Situation ausgesetzt, der er nicht mit seiner unbekümmert leichtlebigen Art entfliehen kann. Mühsam rekonstruiert er aus Langeweile bzw. Verzweiflung seinen Lebensweg und seine darin begangenen Fehler bis hin zu jenem verhängnisvollen Moment, während die Natur rund um ihn herum sowohl ihre Schönheit als auch Erbarmungslosigkeit zeigt.

James Franco in der Hauptrolle beweist ebenso wie Natalie Portman im Psychodrama Black Swan sein schauspielerisches Talent: sowohl die umgängliche, charmante Art seiner Figur als auch das am Rande des Wahnsinns stehende, Urin-trinkende Häufchen Elend verkörpert er absolut glaubwürdig und mitreißend. Lediglich die etwas beliebig wirkende Liebesgeschichte vermag der hohen Qualität der restlichen Inszenierung etwas zu trotzen – aufgrund der Tatsache, das hier aber mit wahren Gegebenheiten hantiert wurde, kann man diesbezüglich Nachsicht walten lassen.

Regie: Danny Boyle, Drehbuch: Danny Boyle, Simon Beaufoy, Darsteller: James Franco, Kate Mara, Amber Tamblyn, Clémence Poésy, Lizzy Caplan, Laufzeit: 94 Minuten, Kinostart: 18.02.2011