BioShock 2
Welcome back to Rapture – We missed you!? Enthusiasten und Zweifler lieferten sich seit der Ankündigung von BioShock 2 harte Wortgefechte über den Sinn und Inhalt des Sequels. Nun kann man sich endlich selbst davon überzeugen, ob die erfolgsgekrönte Formel des ersten Teils erneut den gewünschten, spielerischen Triumph erzielen kann.
Schon beim Start wird offenbart, das BioShock 2 vermutlich andere Akzente setzen wird als sein Vorgänger: die strikte Unterteilung zwischen Single- und Multiplayermodus mag zwar anfangs etwas merkwürdig erscheinen, bei näherer Betrachtung erscheint die Trennung allerdings gut durchdacht. Während sich die Einzelspielerkampagne chronologisch zehn Jahre nach den Vorkommnissen des ersten Teils einordnen lässt, baut der Multiplayermodus sein eigenes Zeitfenster in die düstere Geschichte der Unterwasserstadt ein. Der Aufschrei war groß, als eine Fortsetzung zum sowohl spielerisch als auch erzähltechnisch genialen BioShock angekündigt wurde. Der Grund dafür ist schnell gefunden: die Handlung des ersten Teils war eine in sich (ab-) geschlossene Einheit; die Präsentation und die Charaktere einzigartig und einprägsam, letztere jedoch alle dem Tode geweiht – wie soll diese Glanzleistung also wiederholt werden, noch dazu nur mit Teilen des ursprünglichen Entwicklerteams?
Kreative Videospiel-Dramaturgen haben anscheinend dieses Dilemma erkannt und die Erlebnisse des Protagonisten des ersten Teils einfach ausgeklammert, lediglich einige der Überlebenden des Prequels dürfen sich erneut im untergegangenen Utopia zu Wort melden. Anstatt abermals den Werdegang vom „normalen“ Menschen zum schwer gepanzerten Big Daddy – also einem ehemaligen Tiefseearbeiter im massiven Taucheranzug – mitzuerleben, wird der Spieler in Bioshock 2 schon von Beginn an in diese bemitleidenswerte Kreatur transferiert (keine Sorge: Helmperspektive deaktivierbar). Kurz zur Erklärung: Diese gewaltigen, Big Daddy genannten Ungetüme stellen die symbiotische Ergänzung zu den Little Sisters dar. Während die Little Sisters aus den Überresten der Rapture-Bewohnern die genverändernd wirkende ADAM-Substanz absorbieren, werden sie von den schwer bewaffneten Big Daddys vor allen drohenden Gefahren beschützt. Das ADAM selbst, welches aus Meeresschnecken gewonnen wurde, verhilft seinem Anwender zu ungeahnten Möglichkeiten: Blitze schleudern, Bienenschwärme kontrollieren – um nur einige dieser sogenannten Plasmide aufzuzählen.
Durch jene erstaunlichen Möglichkeiten, die sich in der vom verstoßenen Visionär Andrew Ryan geplanten Utopie am Meeresgrund ergaben, sollte ein konstruktives, Ideologie-freies Miteinander ebenso wie ein unglaublich kreativer sowie produktiver Output ermöglicht werden. Das Scheitern aufgrund der Mängel innerhalb der menschlichen Natur stellte jedoch zugleich auch den Untergang von Rapture (zu Deutsch: „der Tiefenrausch“ bzw. „die Begeisterung“) dar. Pikanterweise erhält der Spieler aber nicht die Kontrolle über einen X-beliebigen Big-Daddy, sondern über den ersten seiner „Baureihe“, seiner Generation. Somit wird auch das ungeschriebene Gesetz einer Fortsetzung eingehalten: Größer, Besser und Mehr von Allem – den nun kann der Einsatz bekannter Waffen zeitgleich mit den Plasmiden stattfinden, während die Bewegungsfreiheit beibehalten wurde. Doch obwohl dem Spieler durch diese Voraussetzungen – also ein schneller, gepanzerter, genveränderter und bis an die Zähne mit allen mögliche Waffentypen ausgerüsteter Killer zu sein – scheinbar wenig nennenswerter Widerstand entgegenzustellen sein dürfte, haben sich die findigen Entwickler einiges überlegt.
Die größte Veränderung scheint dabei aber schon die Implementierung der sogenannten Big Sisters zu sein, die zwar mit einen ebenso schmucken Outfit wie ihre männlichen Ebenbilder ausgestattet, jedoch um einiges agiler und dadurch tödlicher sind. Andere Gegnertypen sind zum Teil schon vom Prequel bekannt, durch die innerhalb der Erzählung vorgeschrittenen Zeitperiode zeigt sich der ADAM-Missbrauch nun durch die sehr starken Deformierungen noch deutlicher dar, was auf jeden Fall als ein nettes optisches Plus anzusehen ist. An der eigentlichen Optik von Rapture hat sich nicht viel getan: Auch wenn man an die neue Lokalitäten betritt, wird man mit dem gewohnten Bild eines lecken, langsam verfallenden Ortes versorgt. Dabei gilt es anzumerken, dass die neuen Level thematisch weder so klar getrennt noch so originell wie die des ersten Teiles sind – die krassen Unterschiede zwischen dem dampfenden, maschinellen Hephaestus und der grünen Erholungsoase Arcadia werden in Bioshock 2 schmerzlich vermisst. Stattdessen ist der Übergang zwischen den einzelnen Orten kaum zu erkennen und eine gewisse Monotonie stellt sich beim Spielen mancher Abschnitte ein.
Gameplaytechnisch bleibt fast alles beim Alten: durch den starken RPG-Charakter des Spiels ist auch bei BioShock 2 der Sammeltrieb ein zentraler Aspekt, die unzähligen Variationen hinsichtlich der Spielweise wird auch hier aufrecht erhalten. Ob die Neugestaltung des Hacking-Minispiels nun gut oder schlecht zu bewerten ist, bleibt jedem selbst überlassen – beide Versionen sind interessant und eine willkommene Abwechslung. Auch beim Sequel muss wieder über das Schicksal der Little Sisters entschieden werden – durch die Tatsache, dass man selbst nun ein Big Daddy ist, erhält das ganze natürlich einen besonderen Clou: Nachdem der anfängliche Beschützer einer betreffenden Sisters besiegt wurde, kann diese nun adoptiert und auf die virtuelle Schulter genommen werden. Mithilfe eines Leitsystems lotst diese den Spieler zu ADAM-haltigen Leichen, wo dieser dann die Rolle des Beschützers vor einem massiven Ansturm von angelockten Gegnern einnehmen muss. Die Little Sister kann aber auch gleich im nächsten Ventilationsschacht in Sicherheit gebracht werden. Die Geschichte rund um den Charakter Delta selbst ist überraschend und gut durchdacht, auch wenn der große Twist am Ende ausbleibt und die Charaktere weniger einprägsam in Erinnerung verbleiben als noch im Original.
Die große Überraschung stellt der Multiplayermodus dar: Hier wurde nicht nur einfach ein Mehrspielergemetzel mit BioShock-Atmosphäre an die Singleplayerkampagne angeheftet, sondern eine eigenständige Erzählung integriert. Komplett mit Vor- und Abspann versehen wird der Spieler zunächst in ein Hub versetzt, dass ein Apartment zu den Glanzzeiten von Rapture darstellt. Jeder der auszuwählenden Charaktere stellt eine Plasmid-Versuchsperson von Sinclair Solutions da, ist mit einer eigenen kleinen Hintergrundgeschichte versehen und kann sowohl optisch als auch Waffen/Fähigkeiten-technisch umgerüstet werden. Die Spielmodi reichen von Capture the Flag (=Little Sister) bis zu Last Man Standing – nichts allzu originelles, aber durch die Vielfältigkeit der Spielmöglichkeiten und das motivierende Belohnungssystem enorm ansteckend. Zumeist wird Team gegen Team gespielt, wobei jeweils eine Seite Andrew Ryan und die andere Frank Fontaine „unterstützt“ – es wird also der Bürgerkrieg von Rapture (zeitlich ein Jahr vor Bioshock 1) dargestellt, was eine außerordentlich gute Idee ist.
Plattform: PS3 (Version getestet), Xbox 360, PC, Altersfreigabe (PEGI): 18+, Spieler: 1, 6- 10 Online, Release: 09.02.2010, www.bioshock2game.com