Horror Noire
Horror Noire ist eine Dokumentation über die Geschichte und Evolution, der Darstellung von Afro-Amerikanern im Horror Genre.
Regisseur Xavier Burgin geht mit seinem ersten Film einen sehr stringenten Weg: Schauspieler, Drehbuchautoren und Regisseure, allen voran Loretta Devine, Keith David oder Jordan Peele, sprechen über Horror Filme der Vergangenheit bis heute. Seinen Anfang nimmt dies im Jahr 1915 mit dem Titel The Birth of a Nation. Zu seiner Zeit bestimmt nicht als Horror Film betitelt, legt D. W. Griffiths Werk den traurigen Grundstein für die Missrepräsentation von Schwarzen Männern für die kommenden Jahre. Bis in die 1950er Jahre werden Afro-Amerikaner in den Hintergrund der Leinwände gedrängt, mit der Ausnahme, wenn sie oder ein Platzhalter, wie King Kong oder Gill-man, für das unbekannte Böse stehen sollen. Eine erster Schritt in die richtige Richtung stellt der 1968 erscheinende Night of the Living Dead dar. Duane Jones spielt den Helden, rettet Weiße Menschen und tötet Weiße Zombies. Die 70er und 80er Jahre stellen eine Schwarze-Horror-Revolution dar, haben aber mit dem Zusatznamen „Blaxploitation“ einen faden Beigeschmack. In dieser Zeit werden vermehrt Filme, wie Blacula, Abby oder Candyman, von Schwarzen für Schwarze produziert, jedoch sind diese immer noch von Stereotypen durchzogen, während Darsteller und Zuseher ausgenutzt werden. Angekommen in der Gegenwart kommt die Industrie sowie die Protagonisten von Horror Noire zu dem Schluss, dass Filme wie Get Out oder The Girl with All the Gifts nur der Anfang sind. Die Zukunft des Horror-Genres ist divers.
Inszenatorisch sieht man Xavier Burgin mit seiner ersten Dokumentation einige Anfängerfehler an. Man hat das Gefühl, dass der Regisseur so viel wie nur möglich in seine 83 Minuten packen will. Dieses Vorhaben ist verständlich, macht es dem Zuseher aber schwer sich an das Geschehen zu klammern, wenn man von Epoche zu Epoche und Klassiker zu Klassiker geworfen wird. Des Weiteren wird einem ein gewisses Vorwissen abverlangt. Wer mit den Blaxploitation Werken wenig Erfahrung hat, den wird die zweite Hälfte des Films womöglich überfordern.
Wer sich darauf einlassen will, das Genre von einem neuen Standpunkt zu betrachten, oder sich generell für Filme über das Filmemachen interessiert, dem wird Horror Noire einiges bieten. Das Thema wird spannend aufgearbeitet, ist an manchen Stellen schockierend und verlässt einem mit einem Gefühl von nun geöffneten Augen. Durch die hohe Dichte an besprochenen Werken, kommt es in der Doku zu keinerlei Leerläufen. Die Darsteller sind allesamt unterhaltsam und bringen die nötige Expertise mit.
Außerdem ist Burgins erstes Werk gefüllt mit erinnerungswürdigen Anekdoten. Zum Beispiel von Jordan Peele, als er über die eigentliche Idee des Endes von Get Out spricht: Die düstere Version des Endes hat vor allem beim Afro-Amerikanischen Test-Screen-Publikum keinen Anklang gefunden. Für ihn kam die Rückmeldung, dass man im Gegensatz zu Night of the Living Dead einen Sieg für den Schwarzen Protagonisten braucht. Oder dass man Jahre später das Zitat aus der Blacula-Reihe „A man needs to see his face“, als der kürzlich gebissene Darsteller sein Spiegelbild nicht mehr sieht, perfekt auf die Aussage der Dokumentation auslegen kann. Schwarze Menschen haben ein Recht auf Repräsentation auf der Leinwand, ein Recht darauf ihre eigenen Gesichter zu sehen.
Regie: Xavier Burgin, Drehbuch: Ashlee Blackwell, Danielle Burrows, basierend auf dem Roman von Robin R. Means Coleman, Darsteller: Meosha Bean, Keith David, Loretta Devine, Ernest R. Dickerson, Tananarive Due, Ken Foree, Filmlänge: 83 Minuten, Kinostart: 10.10.2020 (Deutschland)