Stimme des Herzens
Der coming-of-age Anime aus dem Jahr 1995 ist ein Geheimtipp unter den weniger bekannten Ghibli-Filmen.
Shizuku Tsukishima (Yōko Honna) ist ein Bücherwurm und verbringt ihre Freizeit am liebsten in der örtlichen Bibliothek. Aus den Kontrollscheinen entnimmt sie, dass ein gewisser Seiji Amasawa (Issei Takahashi) dieselben Bücher zu lesen scheint wie sie selbst. In ihrem Kopf beginnt sich Shizuku ein Bild von Seiji zu machen und versucht ihn zu finden. Ohne es zu wissen trifft sie in den kommenden Tagen genau diesen, da er sie aufgrund ihrer Neuinterpretation von dem Song „Country Roads“ aufzieht. Kurz darauf folgt das 14-jährige Mädchen einer dicken Katze, die sie in der U-Bahn trifft. Der Vierbeiner führt sie zu einem Antiquitätengeschäft in dem Shizuku den freundlichen Besitzer kennenlernt. Der alte Mann soll sich später als der Großvater von Seiji identifizieren. Da sie daraufhin einige Male das Geschäft besucht, erfährt Shizuku die wahre Identität ihres gesuchten Bücherfreundes. Trotz der anfänglichen Abneigung kommt sich das junge Paar näher und kann sich gegenseitig für neue Dinge inspirieren.
Alles was man an dem 2 Jahre zuvor erschienen Ocean Waves kritisieren kann, hat sich das Studio zu Herzen genommen und macht es mit Stimme des Herzens besser. Oberflächlich gesehen sind sich die beiden Filme ähnlich und doch ist die Dynamik und der Flow, des einzigen Films von Regisseur Yoshifumi Kondō, interessanter und leichtfüßiger. Wie man es sich von dem coming-of-age Genre wünscht, fühlt man sich in die Lebenswelt der Teenagerin hinein und bekommt durch die verschiedenen Beziehungen eine glaubwürdige Welt präsentiert. Das Verhältnis zu ihren Eltern, zu ihrer großen Schwester, zu ihrer besten Freundin, zu einem nicht erwiderten Schwarm und zu dem mal verhassten, dann liebgewonnenen Seiji, macht die Laufzeit von 111 Minuten kurzweilig und will weiterverfolgt werden.
Interessant ist, dass sowohl die Bilder als auch der Trailer, mit dem nur sehr kurz vorkommenden fantastischen Element werben. Als sich Seiji entschließt seiner Passion als Geigenbauer nachzugehen, macht sich Shizuku daran ihre erste eigene Geschichte zu schreiben. Diese handelt von Baron Humbert von Gikkingen (Shigeru Tsuyuguchi), den man 2002 in Das Königreich der Katzen wiedersehen sollte. Die Sequenz, in der man kurz in die Geschichte von Shizuku eintaucht, ist ein Highlight, macht Stimme des Herzens aber nicht zu dem was es ist.
Die Geschichte zählt bestimmt nicht zu den spektakulärsten Erlebnissen des Studios, hat allerdings ihren eigenen Charme und Reiz. Die Charaktere sind allesamt sympathisch und intelligent geschrieben. Die Handlung leichtfüßig und doch spannend. Und „Country Roads“ wird gefühlt alle 15 Minuten gesungen. Am Anfang, im Chor, mit einer Band und beim Abspann. Wer danach keinen Ohrwurm der japanischen Version hat, wird nie mehr einen haben. Stimme des Herzens gehört zu Unrecht zu den weniger bekannten Werken von Studio Ghibli und ist definitiv seine kleine Reise wert.
Regie: Yoshifumi Kondô, Drehbuch: Hayao Miyazaki, basierend auf dem Comic von Aoi Hiiragi, Stimmen (Original): Yoko Honna, Issey Takahashi, Takashi Tachibana, Shigeru Muroi, Shigeru Tsuyuguchi, Filmlänge: 111 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 22.05.2012