Midsommar
Trotz oberflächlicher Gegensätzlichkeit in Atmosphäre und Setting verbindet eine vielsagende motivische Verwandtschaft Ari Asters Debüterfolg Hereditary mit seinem schwarzhumorigen Folk-Horror.
Beide beginnen mit familiärem Verlust und gipfeln in grotesken Zusammenführungen von Familienverbänden, deren pathologische Strukturen zugleich als Demaskierung und grausame Parodie konservativer Gesellschaftsideale fungieren. Beide entfalten sich um Kulte, gegen die weder Kruzifix noch Priester hilft, und folgen Protagonistinnen, die den unaufhaltsamen Triumph des Schreckens indirekt befördern: als Trauertherapie oder drastischen Akt emotionaler Selbstbefreiung.
Diese Zwei vereint das sardonische Happy-End unter Schwedens strahlend blauem Himmel, dessen Friedlichkeit so irreführend ist wie die der Charaktere. Mehr als die feierfröhliche Kommune verbergen deren US-Gäste ihre wahren Tendenzen. Dani (grandios: Florence Pugh) unterdrückt ihr sie zusätzlich isolierendes Trauma. Ihr egoistischer Freund Christian (Jack Reynor) ist zu feige zur Trennung, sein Kumpel Josh (William Jackson Harper) observiert die Gemeinde als Studienobjekt seiner Abschlussarbeit und Mark (Will Poulter) lechzt nach sexy Schwedinnen.
Letzten gibt es tatsächlich in einem der bizarren Szenarien, denen Kameramann Pawel Pogorzelskis aberwitzige Ästhetik verleiht. Die als Beziehungspathologie und ambivalente Sozialparabel gleichsam effektive Story verkündet mehr als das bevorstehende Grauen mit Hinweisen wie John Bauers Märchenillustrationen und der omnipräsenten Tier- und Pflanzensymbolik. Neben der Figurendynamik vertiefen die Allegorien den politischen Subtext einer in selbstherrlicher Ignoranz befangenen Männerclique als Repräsentanten eines weit destruktiveren Kults. Wenn der Name „Christian“ nicht genug sagt, dann die symbolbeschriftete Pyramide.
Regie und Drehbuch: Ari Aster, Besetzung: Florence Pugh, Will Poulter, William Jackson Harper, Jack Reynor, Julia Ragnarsson, Anna Åström, Björn Andrésen, Liv Mjönes, Henrik Norlén, Louise Peterhoff, Archie Madekwe, Laufzeit: 140 Minuten, Kinostart: 26.09.2019