Bohemian Rhapsody
Von der eröffnenden Kamerafahrt, die Freddie Mercury (Rami Malek) auf die Bühne seines größten Zuschauerauftritts bei Live Aid folgt, bis zur Schlussaufnahme während jenes triumphalen Konzerts absolviert die von Produktionsschwierigkeiten geplagte Komposition aus Diskographie und Rock-Klischees sämtliche Pflichtstücke einer Textbuch-Biografie.
Nach Die Entdeckung der Unendlichkeit verformt Drehbuchautor Anthony McCarten erneut eine faszinierende Laufbahn zur Hollywood-Schnulze, die Bryan Singer mit ostentativem Desinteresse stranguliert. Ob Ersatzregisseur Dexter Fletcher ähnlich unfähig war, weiß wohl nur Kameramann Sigel, der zwischendurch ebenfalls einsprang. Das Resultat ist ein dissonanter Grabgesang auf das künstlerische Genie eines Idols.
Dessen schillernde Persönlichkeit schrumpft zur glanzlosen Maske aus Manierismen und Kostümen, die Malek vor Greenscreen-Fanscharen paradiert. Das einzig Herausragende an seiner Darbietung ist – im doppelten Sinne – die Zahnattrappe. Stimmt, Mercury hatte einen Überbiss, aber es gab wesentlich mehr Eigenschaften, die sein Wesen ausmachten. Ein Faible für Literatur, Kino und Klassik, die seine Songtexte bereicherten und Queens opernartigen Stil prägten, unerwartete Schüchternheit hinter einem flamboyanten Image, die produktive Freundschaft mit Brian May (Gwilym Lee), John Deacon (Joseph Mazzello) und Roger Taylor (Ben Hardy), mit denen er nach zwei Fehlstarts endlich zum Überflieger wurde?
Die Bandmitglieder verkümmern zum dreigesichtigen Klischee, ihr Frontmann zum blasierten Stereotyp, dessen Hochmut vor dem Fall kommt. Als Grund für Medien- und Fan-Anfeindungen gegenüber Queen etabliert der Plot nicht homophobe Intoleranz, sondern Mercurys sexuelle Identität. Wegbegleiterin Mary Austin (Lucy Boynton) personifiziert fürsorgliche Heterosexualität. Die Schwulenszene hingegen ist Materialismus, Exzess, Drogen und – musste ja so kommen – AIDS, dessen Diagnose einer moralistischen Strafe gleicht. Mercurys Leben und umfassendes Schaffen mit HIV wird praktisch komplett ausgeblendet. Die kunstlose Hommage entpuppt sich als verklemmte Semi-Fiktion. An den echten Freddie Mercury erinnern hier bloß die Songs.
Regie: Dexter Fletcher, Bryan Singer, Drehbuch: Anthony McCarten, Darsteller: Rami Malek, Mike Myers, Joseph Mazzello, Aidan Gillen, Ben Hardy, Lucy Boynton, Tom Hollander, Filmlänge: 134 Minuten, Kinostart: 31.10.2018