Wonder Wheel
„Genug mit dem schlechten Drama!“, entfährt es nach eineinhalb Stunden geist- und witzloser Theatralik schließlich Kate Winslet, die von Woody Allens unausgegorenem Pastiche genauso entnervt scheint wie das Publikum. Selbiges traktiert der 82-jährige Regisseur regelmäßig mit einem neuen Aufguss dramaturgischer Versatzstücken, an denen er seit den 70ern laboriert.
Vor vier Jahrzehnten hatten der aufgesetzte Neurotizismus und Intellektualismus, verklärt durch nostalgische Melancholie, wohl den Anstrich von Originalität. Heute überdauert davon bloß die abblätternde Patina einer Kunstsinnigkeit, so unecht wie der Goldanstrich des titelgebenden Riesenrads. Das willkürlich für den Filmtitel auserkorene Fahrgeschäft steht in Coney Island, der Hintergrundkulisse eines Melodrams, das statt trügerische Glücksversprechen höchstens Allens Nimbus dekonstruiert.
Die Anziehungskraft, die der Regisseur und Drehbuchautor trotz seines von Kindesmissbrauch befleckten Ruhms auf die Filmwelt und insbesondere Schauspieler ausübt, nährt augenscheinlich jenes Renommee von Tiefsinnigkeit, das zu pflegen ein Hauptanliegen jedes Woody-Allen-Werks ist. In Wonder Wheel materialisiert sich dieser Drang zur hohlen Prätention in den Allen-typischen Manierismen. Zum Vor- und Abspann plänkelt zeitgenössische Musik und die männlichen Protagonisten bemühen namhafte, den Intellekt der weiblichen Figuren überfordernder Künstler. Eine penetrante Anbiederung an alle Zuschauer mit vagem Bewusstsein für die Existenz von Shakespeare oder gar Eugene O‘Neill. Zweiter ist scheinbar ein Lieblingsautor von Bademeister und Möchtegern-Dramatiker Mickey Rubin (Justin Timberlake), der den Zuschauern die theatralischen Ereignisse erzählt.
Im Mittelpunkt des wie ein misslungener Abklatsch eines Tennessee-Williams-Stücks anmutenden Plots steht Kellnerin Ginny. Die in einer lieblosen Ehe zum gewalttätigen Alkoholiker Humpty (Jim Belushi) gefangene Ex-Schauspielerin ist eine weinerliche, eifersüchtige und zänkische Karikatur, der Winslet verzweifelt etwas Würde zu verleihen versucht. Doch die Oscar-Preisträgerin ist gegen die verachtungsvolle Zeichnung Ginnys machtlos, wie Juno Temple gegen die Eindimensionalität der von ihr verkörperten Gangsterbraut Carolina. Beim Balzen um Micky ist Humptys Tochter ahnungslose Konkurrentin Ginnys, die ihrem Gatten einmal vorwirft, er behandle Carolina „like a girlfriend.“ Derartig anzügliche Anspielungen auf Allens Biografie sind Tiefpunkte eines Films, der auf inszenatorischer und dramatischer Ebene noch kaputter ist als die Charaktere.
Regie und Drehbuch: Woody Allen, Darsteller: Jim Belushi, Juno Temple, Justin Timberlake, Kate Winslet, Filmlänge: 101 Minuten, Kinostart: 12.01.2018