The Infiltrator
Über 20 Jahre nach seinem Tod lassen sich mit dem kolumbianischen Drogenboss Pablo Escobar immer noch dicke Geschäfte machen. Heute kriegen alle was vom Dope ab. Wem die regelmäßige Dosis der Netflix-Serie Narcos, mit deren Start Brad Furmans Kartellkrimi zu schön abgestimmt ist, nicht reicht, der kriegt hier die volle Dröhnung an maximal gestrecktem Stoff.
The Infiltrator liefert eine geballte Ladung Klischees auf 127 Minuten ausgewalzt. Entsprechend lahm ist der Stoff, den der einst als vielversprechender Newcomer gehandelte Regisseur anbietet. Sein gelackter Thriller fühlt sich an wie der Pilotfilm einer 80er-Jahre-Cop-Serie, minus Witz, Schäbigkeit und Style. Dabei bemüht sich der Plot so sehr um diese genredefinierenden Eigenschaften und dazu um Familienpathos und Charakterdrama. Furman kopiert die reißerische Ästhetik der 80er, in denen die Handlung spielt, auf eine schematische Abfolge von Standardsituationen. Das Resultat ist eine ermüdende Fingerübung, in der sich jede Szene abgegriffen und spannungslos anfühlt.
Sogar der Soundtracks ist sklavisch plakativ mit Hits wie „Eminence Front“ von The Who, „Curtis Mayfields „Pusherman“, „Everybody knows“ von Leonard Cohen und Them Two mit „I am a Good Man“, die zudem einen aufdringlichen Kommentar zu den ohnehin überexponierten Ereignissen abgeben. Die Adaption der Memoiren des realen Vorbilds des Titelcharakters Robert Mazur erscheint genauso überlang wie der Titel der Buchvorlage The Infiltrator: My Secret Life Inside the Dirty Banks Behind Pablo Escobar’s Medellin Cartel. Spezialagent Mazur (Bryan Cranston) kämpft für Ronald Reagan im „Krieg gegen die Drogen“ an vorderster Front.
Als verdeckter Ermittler muss er sich mit brutalen Gangstern verbrüdern, indem er mit ihnen säuft, feiert und den obligatorischen Stripclub besucht. Die zweite Hälfte der Story zwingt ihn mit der attraktiven jungen Kollegin Kathy Ertz (Diane Kruger) als angeblicher Verlobter an seiner Seite den obszön reichen Zirkel von Pablo Escobars Mittelsmann Roberto Alcaino (Benjamin Bratt) zu infiltrieren. Es gibt schlimmere Jobs. Aber weil der Protagonist privat ein Saubermann mit ergebener Gattin (Juliet Aubrey) und braven Kindern ist, macht ihm das exzessive Gangsterleben schwer zu schaffen. Selbst ein Schauspieler von Cranstons Format kann dieses kuriose Szenario nicht glaubhaft machen.
Abgesehen von kleineren Ärgernissen wie einem blutigen Puppensarg, den dass Kartell als Einladung verschickt (wie sie es geschafft haben, dass das Blut erst in Mazurs Wohnung ausläuft, bleibt rätselhaft) ist gut nachvollziehbar, dass Kollege Emir Abreu (John Leguizamo) sagt, der Spitzel-Job sei der beste aller Zeiten. Während der Protagonist bis zuletzt seine Integrität wahrt, werden die Schurken mit den moralistischen Waffen der Bourgeoisie dämonisiert: sie sind exzentrisch oder – um Himmels Willen! – bisexuell. Die amerikanischen Mitarbeiter zitieren aus der Bibel, die Unterweltbosse befragen Voodoo-Orakel, was nicht nur für ein Huhn blutig endet.
Der Plot fantasiert ein Szenario, das die rechtschaffenen USA einer tückischen narkotischen Invasion von außerhalb gegenüberstellt. Historische Heldenbilder werden etabliert und diffuse Ängste vor einer südamerikanischen Verbrecherkultur geschürt. Die Absurdität der Kriminalisierung wird genauso wenig thematisiert wie die ideologische Instrumentalisierung des künstlich kreierten Konflikts, zu der The Infiltrator eine passende Ergänzung abgibt.
Regie: Brad Furman, Drehbuch: Ellen Sue Brown, Darsteller: Bryan Cranston, John Leguizamo, Benjamin Bratt, Diane Kruger, Juliet Aubrey, Filmlänge: 127 Minuten, Kinostart: K.A.