Pokémon Super Mystery Dungeon
Chunsoft liefert mit Pokémon Super Mystery Dungeon den jüngsten Ableger seiner seit 23 Jahren laufenden Serie, die Roguelike-Gameplay mit JRPG-Elementen und populären Lizenzen kombiniert. Da gibt es zum Beispiel Chocobo Mystery Dungeon (basierend auf dem Final Fantasy-Federvieh), zuletzt Etrian Mystery Dungeon (basierend auf Atlus’ Dungeon Crawler Etrian Odyssey) sowie Chunsofts Eigenkreation Shiren The Wanderer. Alle funktionieren mehr oder weniger nach dem gleichen Prinzip, nämlich jenem des Klassikers Rogue. Die Verbreitung von Rogue hat Anfang der Achtziger ein eigenes, nicht totzukriegendes Rollenspiel-Subgenre ins Leben gerufen, das in den letzten Jahren sogar vermehrt auf andere Genres übergeschwappt ist: rundenbasierte Hack-and-Slash-Dungeon-Crawler mit prozedural generierten Spielelementen.
Die erfolgreichsten Mystery Dungeon-Spiele sind jene mit Pokémon-Lizenz, die naturgemäß vor allem ein jüngeres Publikum ansprechen. Um die kleinen Racker nicht schon zu Beginn ihrer Spielkarriere zu verstören, ist man nicht ganz so streng mit einigen der härteren Roguelike-Genreregeln. Zum Beispiel gehört es zum Prinzip von Hardcore-Roguelikes, dass man nur ein Leben hat und seinen Spielstand nicht laden kann – wer einmal stirbt, beginnt ganz von vorn. Das passiert in den Pokémon Mystery Dungeon-Spielen nicht. Stattdessen wird man in eine konstante Oberwelt zurückgeworfen, von der aus man seine Expeditionen in die verschiedenen Dungeons plant. Das trägt dazu bei, dass die Rezeption eines Pokémon Mystery Dungeon-Titels bei jedem Teil aufs neue wild gemischt ausfällt. Meistens wird der Diskurs vor allem von drei Gruppen bestimmt: Rezensenten, die mit dem Roguelike-Prinzip ganz grundsätzlich nichts anfangen können; Rezensenten und Roguelike-Liebhaber, denen die Spiele zu verwässert und einfach sind sowie Pokémon-Fans, die das Wort “Roguelike” noch nie gehört haben, sich aber von Szenario, Story und Figuren begeistern lassen.
Letzere Gruppe wird mit dem neuen Pokémon Super Mystery Dungeon ihre Freude haben. Zum ersten, weil es tatsächlich das erste Spiel der Reihe ist, das sage und schreibe alle 720 Pokémon versammelt. Zum zweiten, weil die Geschichte souverän, liebevoll und kindgerecht erzählt wird – und “kindgerecht” meint hier mehr als “Es wird nicht geflucht”. Die Atmosphäre von Eskapismus, Unbeschwertheit und Abenteuerlust, die Chunsoft hier anhand von bewährten Anime-Tropen gekonnt entspinnt, kann selbst bei Dreißigjährigen zu nostalgischen Schüben führen. Etwas getrübt wird die kindliche Freude durch einen sehr langsamen Start mit unnötig ausführlichen Dialogen, in denen alles mindestens dreimal leicht umformuliert gesagt werden muss. Durchhalten lohnt sich aber: Wie viel Liebe und Aufwand man in die Präsenation der Story gesteckt hat, inklusive schöner Twists und einem epischen und emotionalen Finale nach bester JRPG-Tradition, ist ganz schön beeindruckend. Und sogar nach dem Abspann gibt es noch überwältigend viel in der Spielwelt zu tun und entdecken.
Das coolste neue Feature von Pokémon Super Mystery Dungeon ist die Art, wie Pokémon rekrutiert werden. War das in früheren Teilen noch ein zufallsbasiertes Glücksspiel für hartgesottene Grinder, so muss man nun einfach eine Quest für das (oder mit dem) Pokémon erledigen, damit es sich dem Team anschließt. Organisiert werden diese Quests über den sogenannten Connection Orb – quasi ein Pokémon-Facebook, auf dem die kleinen Freunde Quest-Angebote posten und den Spieler bei erfolgreicher Erfüllung zu ihrem sozialen Netzwerk hinzufügen, über das er wiederum neue Pokémon kennenlernt. Dass diese von vornherein mit unterschiedlich hohen Levels daherkommen, ist einer der vielen Wege des Spiels zu vermitteln, dass es keinen Grund für stupides Grinden gibt. Es kommt vielmehr darauf an, sich klug auf Expeditionen vorzubereiten und das richtige Team für den Job zu wählen. Damit man nicht einfach ständig die stärksten Pokémon verwendet, haben jene mit höheren Levels als der Spieler einen Cooldown-Timer, sind also nach einem Einsatz quasi für eine Weile auf Urlaub und nicht für Expeditionen verfügbar.
https://youtu.be/mRtUeJfTuU4
Wer zwischendurch trotzdem gern eine Auszeit von der Story nehmen würde, um zum Beispiel den Item- und Goldbestand aufzustocken oder verschiedene Pokémon-Teams auszuprobieren, der kann direkt aus dem Menü heraus ein seperates Gebiet namens Pelipper Island besuchen, in dem unter anderem bereits absolvierte Dungeons noch einmal durchgespielt werden können. Außerdem kann man von dort aus Rettungsmissionen unternehmen: Wenn das Team im Hauptspiel besiegt wird, kann man auf Pelipper Island ein zweites Team zusammenstellen, das das erste aus dem Dungeon rettet.
Für wen ist Pokémon Super Mystery Dungeon nun also am ehesten geeignet? Roguelike-Fans? Pokémon-Fans? JRPG-Fans? Nun, eigentlich für alle davon, weil das Spiel wirklich sehr gekonnt das Beste aus diesen Elementen kombiniert und ein liebevoll dargebotenes Paket daraus schnürt. Ganz besondere Freude werden aber Kinder damit haben – und nebenbei bekommen sie auch gleich eine sanfte Einführung in die Welt von Pokémon, Roguelikes und sogar in die Mechanismen echter und virtueller sozialer Netzwerke.
Plattform: 3DS (Version getestet), Spieler: 1, Altersfreigabe (PEGI): 7, Release: 19.2.2016, pokemonmysterydungeon.com