In the Sands of Babylon
Es gibt Filme, egal ob Dokumentation oder Spielfilm, die sind vielleicht nicht in allen Bereichen perfekt, aber sie lassen einem nicht mehr los und wirken noch lange Zeit nach. Der Dokumentar- mit Spielfilm mischende In the Sands of Babylon ist so ein Werk.
In the Sands of Babylon von Mohamed Al-Daradji teilt sich in zwei Erzählebenen auf, in eine dokumentarische und in eine mit nachgestellten Szenen, in denen die Erzählungen dreier Überlebender kulminieren. 1991, der Golfkrieg neigt sich dem Ende zu, ein irakischer Soldat ist zur Flucht aus Kuwait gezwungen und wird bei seinem Rückweg von den Soldaten Saddam Husseins geschnappt und eingesperrt. Einer von vielen, der nun das Martyrium eines Kriegsgefangenenlagers kennenlernt, wo Folter zum Alltag wird, zu einem Alltag, an dem man sich aber nie gewöhnen wird. 2013, in der Gegenwart des Films, spricht der Regisseur mit drei (von nur insgesamt 12) Überlebender solcher Inhaftierungen. Was sie berichten, verwebt der Regisseur in seine „fiktive“ Handlung.
Zu Beginn wirkt sowohl der Spielfilm-Teil, als auch die Beharrlichkeit des Regisseurs seine Interviewten zu befragen und ihnen alle schmerzhaften Details zu entlocken, mehr als befremdlich. Es geht sogar so weit, dass man ein gewisses Maß an Antiphatie für den Befrager entwickelt. Im weiteren Verlauf wird jedoch klar, dass es sich auch dabei um ein bewusst eingesetztes Mittel des Filmemachers handelt um dem Zuschauer die Schmerzhaftigkeit und die Qual der Überlebenden, alleine bei dem Gedanken sich an die Inhaftierungen zu erinnern, zu vergegenwärtigen und damit eine eindringliche Emotionalität zu begründen, die das Publikum über den ganzen Verlauf an seine Figuren bindet. Wem lässt es kalt, wenn man die drei Überlebenden beobachtet, wie sie, alleine bei der Erwähnung mancher Fragen von scheinbar gesunden, „normalen“ Bürgern plötzlich und mit einem Schlag zu in sich gekehrten und emotional gebrochenen Menschen schrumpfen? Wenn alleine die Erinnerungen an erlittenes Leid und Schmerz, die Alltäglichkeit von Folter und Tod, die das Leben im Lager bestimmt haben, wieder in ihr Leben tritt, wenn das Verdrängen und krampfhafte Vergessen aufgehoben und alles wieder in ihre Gegenwart eindringt.
Diese Aspekte und Momente zählen mit zum Stärksten was In the Sands of Babylon zu bieten hat und wühlen auch den Zuschauer innerlich auf, zwar (und natürlich) nicht im gleichen Ausmaß wie die Überlebenden aufgewühlt werden, das wäre auch ein anmaßendes Unterfangen eines jeden Films bzw. Filmemachers, doch gelingt es dem Regisseur durchaus überzeugend das Publikum emotional an dem Gesehenen und somit auch dem Geschehenen teilhaben zu lassen. Gleichzeitig bietet In the Sands of Babylon aber keinerlei Auswegmöglichkeiten. Es wird einem nicht so leicht gemacht, sich aus der Affäre zu ziehen oder seine Augen zu verschließen. Obwohl keinerlei Lösungsvorschläge für das Verarbeiten derartigen Leids bzw. das Verhindern solcher zukünftiger Verbrechen angeboten werden, ist es doch wichtig darauf aufmerksam zu machen und die Taten der Vergangenheit so zu zeigen, wie sie waren, mit einer ungeschönten Härte und Brutalität, die jeden der Überlebenden für den Rest ihres Lebens auf die eine oder andere Art gezeichnet hat.
In the Sands of Babylon, wenngleich es ihm gelingt selbst in grausamen Momenten einen gewissen Funken an menschlicher Würde und traumatischer Poesie zu kreieren, ist dennoch in keiner Sekunde ein optimistischer Film, der einem glücklich aus dem Kino entlässt. Vielmehr wird man mit einem mulmigen, und ja, man muss es so sagen, deprimierenden Gefühl entlassen, dass solche Taten leider noch nicht gänzlich der Vergangenheit angehören, dafür braucht man nur die Augen aufzumachen und sich den Zustand der Welt und der sie bevölkernden Menschheit anschauen. Es ist kein Happy End in Sicht. Solche Taten und Verbrechen verjähren nicht, verheilen nicht und sind auch in unserer Gegenwart noch immer ein trauriges Zeugnis der menschlichen Unfähigkeit in friedlicher Koexistenz miteinander zu leben. In the Sands of Babylon ist somit ein ehrliches und erschütterndes, teils poetisches, aber auch zutiefst deprimierendes Dokument der menschlichen Natur. Eben ein Film, der einem nicht so bald los- und schon gar nicht vergessen lässt.
Regie: Mohamed Al-Daradji, Filmlänge: 92 Minuten, gezeigt im Rahmen des this human world Filmfestivals 2015, www.humanfilm.com/#!in-the-sands-of-babylon
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