Thom Yorke – Tomorrow’s Modern Boxes
Erstaunlich wenig Trubel gab es Ende September zum Release von Thom Yorkes zweitem Solo-Streich: Na, wie denn aber auch, hat er es im Endeffekt im Alleingang über das Filesharing-Tool BitTorrent veröffentlicht.
Um einfach mal dezent den Mittelsmännern oder denjenigen, die am Album zwar nicht mitgearbeitet haben, aber getrost daran verdienen würden, den Mittelfinger zu zeigen. Um nur fünf Euro stehen die insgesamt acht Tracks also online bereit- und wirklich, es gibt keine Promotion-Texte, natürlich auch kein Booklet (wo denn auch, wenn es keine Disc gibt), oder sonst etwas. Schlichtweg auf der Radiohead-Homepage kann man sich ein paar Infos zum programmatisch Tomorrow’s Modern Boxes benannten zweiten Album Yorkes holen.
Die Veröffentlichungsart, und deshalb sei sie hier auch zuallererst angesprochen, hat dem Release selbst einiges an offenen Ohren eingebracht. Offene Ohren vor allem, die sich sonst mit der Musik beschäftigen müssten. So kann man immerhin eine Diskussion über halboffizielle Einnahmequellen, ungerechte Behandlung von Musiker und/oder Konsument, den Warenwert im World Wide Web und so weiter lostreten. Leider aber hängt an der musikpolitisch hochinteressanten Debatte aber eben auch noch das neue Album Thom Yorkes dran, das an dieser Stelle eigentlich besprochen werden sollte.
Gut, Thom Yorke ist dann eher mal Einer von der introvertierten Sorte. The Eraser, sein erstes Soloalbum, schon vor acht Jahren erschienen, schwingt natürlich bei der Verkostung des neuesten Werks im Hinterkopf mit. War es auch um dieses Album so bestellt, dass man sich zuerst hineinknien musste, um die avantgardistische Schönheit zu erkennen, verlangt Tomorrow’s Modern Boxes Ähnliches. Nur, dass einem diese Schönheit offenbar den Mittelfinger vor Augen hält – um diese anschauliche, hier ach so passende Metapher ein zweites Mal zu bedienen. Schon das erste Stück, das offenbar übergreifend auch für die restlichen sieben Tracks stehen kann, bietet ein „brainwashing“ sondergleichen. Durchgespült fühlt man sich nach der Konsumation, vor allem dann, wenn man Kopfhörer benutzt. Da springt die eiskalte Stimme Yorkes, durchsetzt von holprig-verstörenden Beats über einem steril-ausufernden Klangteppich, von einem Ohr ins andere. Mystische Stimmfetzen, eingebettet in einer geradlinig verlaufenden Struktur, zeichnen dieses Album als einen am Stück hingeschmissenen Entwurf, im Gegensatz zu The Eraser, der noch eher darauf fokussiert war, die einzelnen Stücke stärker von einander abzugrenzen.
Verstörung ist uns ebenso wie Introversion im Zusammenhang mit Thom Yorke ja nichts Neues. Das hätte man sich also vorher denken können. Nur: Jede Quälerei sollte einmal ein Ende finden. Die Nerven werden ziemlich überstrapaziert. Thom Yorke, dessen ungeachtet, schafft es nämlich, dass man sich absolut unwohl in seiner Haut fühlt und sich zudem das Gefühl gibt, man allein sei Schuld daran. Jünger wider Willen. Nun gut, The Mother Lode, mit schwächelndem Uptempo-Beat und zuckendem Piano, leitet dann doch noch ein Stück in die richtige Richtung. Fast will man hier an Yorkes überengagierten Tanz aus L“ denken. Ein Aufseufzer in Richtung good old times. Die zweite Hälfte des Albums konzentriert sich rund um die Minimal-Technonummer There is no ice (for my drink). Auslaufend davon gehen die restlichen Stücke eher in einem nach Ambiente-Sound klingenden Einheitsbrei unter, woraus sich dann nur noch schwer die einzelnen Ambitionen, Singletracks zu schaffen, auseinanderdividieren lassen.
Na, immerhin begreift man Tomorrow’s Modern Boxes als Geniestreich für Thom Yorkes Geldbörse (not bad, man: 700.000 Downloads innerhalb der ersten Woche nach Veröffentlichung im Internet). Frei nach der Devise: Beiseite legen und auf das geplante Radiohead-Album warten.
Thom Yorke – Tomorrow’s Modern Boxes, Online via BitTorrent, tomorrowsmodernboxes.com