Alleluia
Das /slash Filmfestival war dieses Jahr gut bestückt mit französischsprachigen Produktionen – und mit Alleluia schickte der belgische Regisseur Fabrice du Welz (Calvaire) noch ein schlagkräftiges Drama ins Rennen.
Die in einer Leichenhalle beschäftigte Gloria (Lola Dueñas) trifft bei einer arrangierten Verabredung auf den charmant wirkenden Michel (Laurent Lucas) und die beiden landen kurz darauf zusammen im Bett. Als sich Michel von der Krankenschwester nach ihrer Liebesnacht eine Menge Geld borgt und sich nicht wie abgemacht bald wieder bei ihr meldet stellt Gloria ihrem Liebhaber nach und findet ihn mit einer andern Frau vor. Darauf gesteht ihr Michel ein Trickbetrüger und Frauenverführer zu sein. Dies stößt Gloria jedoch nicht ab, sondern sie will sich ihm sogar auf seinen Raubzügen anschließen. Dieser Plan stellt sich jedoch bald als recht fatal heraus. Die Geschichte basiert lose auf den sogenannten „Lonely Hearts Killers“, die im Amerika der späten 1940er Jahre ihr Unwesen trieben.
Du Welz orchestriert sein Werk bewusst anachronistisch, was sich schon einmal an dem grobkörnigen 16 Millimeter Material zeigt, auf dem er aufgezeichnet ist. Zusätzlich teilt er die Handlung in mehrere durch Titelkarten getrennte Teile, die jeweils auf ein Opfer verweisen aber nicht vollständig mit dramaturgischen Akten gleichgesetzt werden können. Auch ist er sich nicht zu schade etwas pathetische Kunstgriffe einzubauen, wie kurze Gesangseinlagen oder expressionistische Wechsel der Lichtsituationen.
Was in einem anderen Film vielleicht störend wäre hat hier jedoch Methode – mit blanker Absicht romantisiert er die Mordserie des gestörten Paares nicht oder forciert dramaturgisch die Identifikation mit ihnen. Der Zuschauer muss mit den Opfern mitleiden und die Unmöglichkeit einer normalen Beziehung für Michel und Gloria schlucken, die ihm mehrfach unter Beweis gestellt wird. Da Michel weder von seinen systematischen Betrügereien ablassen kann noch Gloria von gewalttätigen Wutausbrüchen ist ihr Zusammenbleiben gegen jegliche Vernunft, und doch wüten sie wie eine Naturkatastrophe durch Frankreich, bis sie in sich selbst zusammenbrechen.
Nur weil man sich nicht mit den Protagonisten identifizieren kann muss es jedoch nicht heißen ihre Darbietung auf der Kinoleinwand wäre uninteressant. Dueñas wirkt noch vor ihren Wutausbrüchen schon mehrdimensional und vermittelt die Sehnsucht, die bei Gloria knapp unter der Oberfläche zu brodeln scheint. Als sie sich bereitwillig Michels Plänen angeschlossen hat kann sie nicht anders als mit Eifersucht überzuschäumen, und die Wutausbrüche sind bei Dueñas explosiv und erschreckend.
Die Versöhnungen des Paares könnten dennoch beinahe schon berührend sein – der Zuschauer spürt dass sowohl Dueñas als auch Laurent Lucas‘ Charakter wirklich mit dem anderen zusammen sein will, jedoch im Teufelskreis gefangen bleibt. Lucas selbst fängt die Art von berechnenden Charme ein der jedoch nicht aus wirklichem Interesse an Frauen entspringt – er gibt ihnen was sie wollen, und nimmt sich danach was er braucht. Trotzdem wirkt er in den persönlichen Momenten mit Gloria beinahe schon fragil, als versteckte sich hinter seinem Lächeln ein gebrochener Mann.
Alleluia ist ein relativ langsames Drama das sich so weit wie möglich weg von jeglicher „Bonnie and Clyde“-Atmosphäre positionieren will, sondern versucht sehr melancholisch die Tragik und Zerstörungskraft dieser Beziehung einzufangen. Das ist Du Welz gelungen, jedoch wer einen Feel-Good Film benötigt, ist hier nicht gut aufgehoben.
Regie: Fabrice du Welz, Drehbuch: Fabrice du Welz, Romain Protat, Darsteller: Stéphane Bissot, Lola Dueñas, Édith le Merdy, Laurent Lucas, Filmlänge: 93 Minuten, gezeigt im Rahmen des /slash Filmfestival 2014