If….
Lindsay Andersons britischen Kultfilm If…. aus den 60er Jahren gibt es nun auf DVD. Aber wie hat sich der Film eigentlich über all die Jahre gehalten?
Die Handlung von If…. erinnert ein wenig an Der Unbeugsame (1967) oder Einer flog über das Kuckucksnest (1975). In einer Privatschule in England herrscht ein strenges Regime, während sich die meisten Schüler dem Druck und den Schikanen fügen, denkt der aufsässige Mick (Malcolm McDowell), gemeinsam mit ein paar gleichgesinnten an Aufstand und Rebellion. Während ihre Ausbruchversuche aus dem System zunächst durchaus real und glaubwürdig wirken, scheint es im Verlauf einen immer stärkeren Rückzug in ihre Fantasiewelt und Gedanken zu geben, bis ihr Finale in einem Rachfeldzug gipfelt, der nicht mit absoluter Sicherheit in der Realität verankert zu sein scheint, sondern viel eher ihre Wunschvorstellung, die Möglichkeit eines Ausbruchs darstellt.
If…. erschien 1968 (also nur ein Jahr nach Der Unbeugsame und lange Zeit vor dem Jack Nicholson Klassiker) und schlug auf Anhieb hohe Wellen, wurde zu einem höchst kontroversen Film, der aber gleichzeitig die damalige Zeitgenössische Stimmung auf bedrohliche, aber auch durchaus glaubwürdige Art und Weise einzufangen vermochte. Nach langem Kampf um das Werk, gelang es Lindsay Anderson dennoch sein Werk getrau ins Kino zu bringen und es entwickelte sich zum Kultfilm.
Wie bei vielen Filmen, die sich sehr spezifisch auf eine Epoche beziehen bzw. mit ihrem kulturellen Geist verbunden sind, ihn beinahe mit jedem Kader atmen, leidet auch If…. unter der strikten Verankerung in seiner gesellschaftlichen Zeit. Man merkt dem Film daher sein Alter an, er kann heute nicht mehr die gleiche politische und soziale Wirkung entfalten, wie früher. Ähnlich wie bei Haneke’s Funny Games, hat auch If…. seine inhaltliche Wucht und provozierende Aura verloren. Zu viele andere, ähnliche, teilweise auch bessere Filme mit ähnlicher Thematik hat es schon gegeben, wodurch Lindsay Andersons Werk es nicht mehr schafft den Zuschauer in gleichem Maße in seinem Bann zu ziehen, wie das früher (womöglich) der Fall war.
Heute wirkt If…. eher wie ein Relikt, ein (film)geschichtliches Dokument, welches auf durchaus gelungene und gekonnt inszenierte Art den Zustand seiner Generation schildert. Es zeigt, wie sehr manche Filme dem Zahn der Zeit unterliegen und wie stark sie doch mit ihrer Gegenwart und Kultur verbunden sind. Dabei ist If…. gerade vom filmischen Aspekt her nichts vorzuwerfen, denn hier zeigt sich, dass Lindsay Anderson, wenngleich nicht mit großem Budget gesegnet, das Beste aus der Situation herausholt und zu durchaus originellen Lösungen greift, die den Zuschauer manchmal verwirren und vor den Kopf stoßen, aber im Gesamtbild gesehen durchaus Sinn machen.
Ein weiterer nach wie vor wirksamer Aspekt sind die Schauspieler. Malcolm McDowell landete hier zum ersten Mal die Hauptrolle in einem Kinofilm und beweist auf Anhieb sein enormes Talent und Potenzial. Außerdem scheint er hier sowas wie den filmischen Ahnen seiner größten Kultfigur Alex DeLarge (aus Kubricks Meisterwerk Uhrwerk Orange) zu verkörpern. Eine geistige Verwandtschaft ist zu erkennen, wenngleich sein Charakter Mick in If…. bei weitem nicht so extrem und übertrieben ist wie Alex.
Die DVD an sich bietet außer dem Film leider keinerlei Specials oder Features. If…. kommt zwar mit guter Bild- und Tonqualität daher, doch ein paar zusätzliche Infos, Dokumentationen oder Interviews hätten nicht geschadet. Wer ein Faible für Filme aus den 60er Jahren hat, die sich stark auf die Stimmung jener Epoche beziehen oder ein filmgeschichtliches Interesse hat, ist mit If…. gut beraten, jeder, der sich jedoch mehr erwartet und den kontroversen Streifen erhofft, der If…. durchaus einmal war, wird enttäuscht sein. Im Grunde ein Werk, das nur mehr Zuschauer mit speziellen Interessen anzieht, aber leider vom Lauf der Zeit überholt und seiner Wirkung beraubt wurde.
Regie: Lindsay Anderson, Drehbuch: David Sherwin, Darsteller: Malcolm McDowell, David Wood, Richard Warwick, Christine Noonan, Rupert Webster, Laufzeit: 107 Minuten, DVD-Release: 04.10.2013