Dark Touch
Ihren Besuch in Wien hat Regisseurin Marina de Van zwar leider kurzfristig abgesagt, ihr neuester Film spricht aber ohnehin für sich und erzählt die Geschichte eines Mädchens, das mit seiner Umwelt und den eigenen Kräften kämpfen muss.
Niamh (Missy Keating) ist ein unauffälliges Kind. Ruhig und in sich zurückgezogen lässt es niemanden an sich heran und der Körper des elfjährigen Mädchens weist zudem immer wieder verdächtige Verletzungen auf. Als ihre Eltern und ihr kleiner Bruder auf grausame Weise im eigenen Haus ums Leben kommen, behauptet sie, dass das Haus selbst dafür verantwortlich ist. Natürlich schenkt ihr niemand Glauben und das traumatisierte Kind wird vorübergehend von den Galins (Marcella Plunkett, Padraic Delaney), einem befreundeten Ehepaar der Familie, aufgenommen. Als sich allerdings auch dort die merkwürdigen Ereignisse häufen, wird klar, dass die unheimlichen Kräfte, die am Werk sind, Niamh selbst entspringen und das lethargische und emotional instabile Mädchen kann diese nur sehr schwer kontrollieren.
Dark Touch ist ein sehr düsterer, ernsthafter Film, der mit stimmungsvoll-poetischen Bildern eine Atmosphäre des Bedrohlichen erzeugt, bevor gänzlich klar ist, woher die eigentliche Bedrohung stammt. Ab dann ist der Film ebenso Drama wie Horror und behandelt das Thema Kindesmissbrauch bzw. Gewalt in der Familie auf gleichzeitig behutsame wie explizite Art und Weise.
Hilflosigkeit, Ohnmacht und auch ein gewisses Maß an Verleugnung prägen den Umgang der Protagonisten im Film mit dem Thema Missbrauch, wodurch jede Form von angebotener Hilfe seitens der Erwachsenen letztendlich zu spät kommt. Das geschundene Mädchen kann kein wirkliches Vertrauen zu ihnen aufbauen und identifiziert sich schlussendlich stattdessen mit seinen Peinigern, in Entladungen exzessiver Gewalt, ohne jede Spur von Empathie für andere. Das Opfer wird so tragischerweise zur Täterin, zunächst unbewusst zum Selbstschutz und aus Hilflosigkeit heraus, später als Akt der Selbstbemächtigung und aus Rache an all jenen, die ihm Leid zugefügt haben.
An Tragik mangelt es in Dark Touch also nicht, dass diese dennoch nie ins Melodramatische kippt, ist vor allem den schauspielerischen Leistungen zu verdanken, allen voran jenen der großartigen Missy Keating (der Tochter von Ex-Boyzone Faserschmeichler Ronan Keating), die ihre Rolle so eindringlich und herzzerreißend verkörpert, dass es unmöglich ist, nicht mit ihr mitzufühlen und zu -leiden. Gleichzeitig ist sie natürlich auch die zweifelhafte Heldin, das traumatisierte Kind, das über besondere Kräfte verfügt, die es nicht kontrollieren kann und ihre Taten qualifizieren sie schlussendlich nur mehr schwer als Sympathieträgerin.
Der Film hat auch seine schwachen Momente, wenn beispielsweise das anfängliche Geisterhaus-Motiv allzu schnell als falsche Fährte entlarvt wird. Auch wirkt die Unsensibilität bzw. Unbeholfenheit der Erwachsenen Niamh gegenüber stellenweise als zu dick aufgetragen. Der Wandel Niamhs vom unschuldigen Mädchen zur grausamen Mörderin, wie er in Carrie schon vorgezeigt wurde, ist trotzdem nachvollziehbar – still und gleichzeitig voll lauter Gewalt, und in seinem schwermütigen Abgang konsequent zu Ende gedacht.
Regie & Drehbuch: Marina de Van
Darsteller: Missy Keating, Marcella Plunkett, Padraic Delaney, Charlotte Flyvholm, Robert Donnelly
Laufzeit: 90 Minuten, gezeigt beim /slash Filmfestival