The Cave
Über ein Vierteljahrhundert nach der Veröffentlichung von Maniac Mansion will Ron Gilbert mit The Cave erneut einen richtungsweisenden Beitrag für das Adventure-Genre leisten. Dazu gilt es mit bestehenden Konventionen zu brechen – nicht zuletzt mit den von Gilbert selbst etablierten.
Immerhin ist es dem ehemaligen LucasArts-Designer – der nicht nur für Maniac Mansion, sondern natürlich auch die Monkey Island-Reihe sowie Zak McKracken verantwortlich zeichnet – geschuldet, dass „Cutscenes“ in so gut wie jedem Story-lastigen Spiel der letzten 25 Jahre ein wesentliches Element darstellen. Gilbert hat dieser Technik nicht nur einen Namen gegeben, sondern sie erstmals in Maniac Mansion mit großem kommerziellen Erfolg (im Gegensatz zu bisherigen Versuchen anderer Designer) zum Einsatz gebracht und damit einen regelrechten Hype um filmische Elemente in Spielen ausgelöst. Bis heute nähern sich dadurch ganze Franchises immer mehr dem Film an – allerdings auf Kosten des Gameplays, dessen Ablauf durch jede einzelne Cutscene komplett gebremst wird.
Ausgerechnet The Cave widersetzt sich jetzt dieser langjährigen Entwicklung. Stellte im Vorjahr The Walking Dead die absolute Referenz unter den Story-zentrierten Spielen dar, besinnt sich The Cave der Ursprünge des Genres – der Fokus liegt wieder auf dem Rätsel. Trotz Hommage an frühere Zeiten – die sich bereits im Setting widerspiegelt, ist eine Höhle doch der Schauplatz des namensgebenden Ur-Adventures Colossal Cave Adventure – setzt Gilbert auf Innovation statt Reminiszenz. Erinnert das Intro, bei dem es gilt, 3 der 7 Charaktere für den Weg durch die Höhle auszuwählen, noch stark an Maniac Mansion, fällt schon wenige Momente später die Art der Bewegung auf: Statt Point & Click setzt man auf Platformer-ähnliche Steuerung. Keine Sorge: Wer einmal daneben springt, stirbt nicht.
Den Weg durch die anthropomorphe Höhle (die zwar keinen Namen, aber eine äußerst beruhigende, tiefe – männliche – Stimme hat) bestreitet man übrigens am besten zu dritt vor der Konsole oder dem PC zuhause – auf einen Online-Coop-Modus wurde verzichtet. Verständlich wird das, wenn man versucht, die Zusammenarbeit für die einzelnen Rätsel zu koordinieren, die zwar allesamt nicht besonders zeitkritisch sind, aber zumindest kollektives Grübeln erfordern. Während früher der Spieler mit der Maus in der Hand die Schnittstelle war, die zwischen Bildschirm und Mit-Rätselnden vermittelte, fällt diese Barriere bei The Cave weg – was zugunsten des Vergnügens der Runde geht und zum Glück der Mitspieler auch solide umgesetzt wurde. Lieblingsfeature ist dabei definitiv die Möglichkeit, die Steuerung eines anderen Characters einfach zu übernehmen, nachdem lautes Zurufen und wildes Gestikulieren nicht und nicht geholfen hat – denn was ist schon ein wenig Empörung, wenn das hartnäckige Rätsel endlich gelöst ist?
Auch das Inventar-System gehört der Vergangenheit an: Vorbei sind die Zeiten, in denen man neben einem Gummihuhn und einem Karabinerhaken das halbe Inventar einer Inselbevölkerung mitschleppte. Jeder Character kann exakt einen Gegenstand tragen, was oft auch dazu führt, dass man sich vom lieb gewonnenen Dosenmais plötzlich trennen muss. Die einzelnen Herausforderungen sind allerdings so konzipiert, dass die wirklich relevanten Gegenstände immer in Reichweite liegen, um ausgedehnte Spaziergänge durch die Höhle zu vermeiden. Apropos Gummihuhn: Auch wenn der gefeierte Held der Monkey Island-Reihe der Höhle ferngeblieben ist, glänzt ein gewisser Chlorophyll-affiner LucasArts-Klassiker mit einem Cameo.
Ganz passend zum Setting verläuft auch die Story, von der nicht allzu viel verraten werden soll: The Cave ist ein geheimnisvoller, düsterer Ort und fungiert als Schauplatz noch viel düsterer Geschichten, die die Charaktere zeichnen. Die Höhle selbst kommentiert dabei und liefert zusammen mit den stimmigen Kulissen, die von einem Zirkus, über ein Museum, bis hin zur Pirateninsel die kuriosesten Orte abdecken, viele lustige Momente, die angesichts der dunklen Geheimnisse der Abenteurer dringend benötigt werden. Es ist die große moralische Komponente, die zu keiner Zeit belehrend wirkt und sich nur subtil im Hintergrund hält, die zum Schluss ein ungutes Gefühl im Bauch zurücklässt und letztlich auch als Hauptmotivation für einen weiteren Durchgang dient – selbst wenn man nochmal den selben Charakter wählt.
Ron Gilberts Cave ist kein neues Monkey Island, kein nächstes Maniac Mansion – und das versucht es auch gar nicht zu sein. Die Höhle spannt einen Bogen vom ersten Adventure in den 1970ern bis in die Gegenwart und Gilbert versteht es mit seinen selbst eingeführten Konventionen zu brechen, um einen wesentlichen Makel an der Entwicklung des Genres seit Maniac Mansion zu beseitigen: Erstmals steht wieder das Spiel – und nicht die Erzählung – im Mittelpunkt, und Gilbert bewerkstelligt das, ohne dafür die Story zu opfern.
Plattform: PC (Steam), PSN, XBLA (Version getestet), Wii U eShop, Spieler: 1-3 (gleichzeitig, lokal), Altersfreigabe (Pegi): 12, Release: 23. 01. 2013, www.thecavegame.com