My Week with Marilyn
Platinblondes Haar, sinnlich rote Lippen, aufreizend schwere Augenlider und Schönheitsfleck. Marilyn Monroes Porträtbild liegt tief verankert im kollektiven Gedächtnis der Populärkultur. Und jeder, der Marilyn schon einmal auf der Leinwand gesehen hat, weiß, welch außergewöhnliche Magie sie auszustrahlen vermochte. Doch hinter der Glitzerfassade von Pin-Up-Girl, Pop-Ikone und Sexsymbol, hinter ihrem Film-Image als unschuldig verführerische, kindlich-naive Blondine, verbarg sich mit dem Mädchennamen Norma Jean Baker noch ein ganz anderes Wesen…
Während die Welt nach „Marilyn Monroe“ schrie, sehnte sich die zutiefst unsichere junge Frau dahinter nach wahrhafter Anerkennung als Schauspielerin, sie träumte von anspruchsvollen Charakterrollen abseits des unbiegsamen Rollen-Image, aus dem es mit voranschreitender Karriere kein Entkommen mehr zu geben schien. Der Druck, ihrer selbst erschaffenen Kunstfigur gerecht werden zu müssen, führte zunehmend zu seelischer Belastung, ihre Ehen gingen in die Brüche, sie suchte Zuflucht in Medikamenten und Alkohol. Am Ende ereilte Marilyn Monroe das selbe Schicksal wie so viele hoch gefeierte Ikonen: Sie verstarb im Alter von nur 36 Jahren allein in ihrem Bett an einer Überdosis von Tabletten. Hollywood und die Welt hatten sie verbraucht.
In seinem Film „My Week with Marilyn“ wagte sich Regisseur Simon Curtis nun endlich an das Unterfangen, die Fassade zu durchbrechen und der Welt von der fragilen, liebenswerten, aber auch höchst schwierigen – kurzum: der wahren Marilyn – zu erzählen. Die Handlung konzentriert sich dabei auf eine Woche im Sommer des Jahres 1956, basierend auf den publizierten Memoiren des britischen Filmemachers Colin Clark, der darin seine kurzweilige, wenn auch ganz besondere Bekanntschaft mit Monroe enthüllte. Im Alter von 23 Jahren ergattert der junge, ambitionierte Oxford-Abgänger Colin Clark (Eddie Redmayne) einen Job als Produktionsassistent am Set von „The Prince and the Showgirl“. Gleichzeitig setzt Marilyn Monroe (Michelle Williams) – frisch verheiratet mit dem Dramatiker Arthur Miller – für diesen Film erstmals Fuß auf englischen Boden, um unter der Führung des renommierten Bühnen- und Filmdarstellers sowie Regisseurs Sir Laurence Olivier (Kenneth Branagh) ihr schauspielerisches Talent unter Beweis zu stellen.
Doch während des Drehs häufen sich die Konflikte. Marilyn kommt regelmäßig zu spät, kann sich keine Textzeile merken und Laurence Olivier, zumal dieser der britischen Theatertradition entstammt und mit Marilyns rätselhaftem „Method Acting“ gänzlich überfordert ist, mutiert am Set zunehmend zum Ungetüm. Mit der frustrierten Anweisung „Tu einfach das, was du immer tust – sei sexy!“ trifft er zielgenau den wunden Punkt seiner selbstzweifelnden Darstellerin. In dem jungen Colin, der sein Herz schon längst an Marilyns liebreizende Verletzlichkeit verloren hat, sieht sie schon bald den einzigen Verbündeten und entflieht mit ihm gemeinsam kurzerhand in ein unschuldiges, zart knisterndes Verhältnis.
Marilyn Monroe ist ein Original, das sich nicht kopieren lässt. Für Regisseur Simon Curtis kam nur eine Schauspielerin in Frage, die es dennoch versuchen sollte. Und wahrlich meistert die ehemalige Dawson’s Creek – Darstellerin Michelle Williams, die sich in den letzten Jahren mit Rollen in Independent-Filmen wie „Blue Valentine“ zu einer wunderbaren Kino-Darstellerin empor gespielt hat, ihre Aufgabe recht respektabel. Williams hat die Bewegungen, Mimik und Sprache, ja das ganze Wesen der Monroe geradezu akribisch einstudiert und es erweist sich als durchaus unterhaltsam, ihr Spiel zu beobachten. Seine Kraft entwickelt „My Week with Marilyn“ allerdings vor allem in den Film-im-Film Szenen, in denen die Schwierigkeiten am Set gezeigt werden. Wenn sich die geplagte Marilyn trotz aller Anstrengungen beim zehnten Take immer noch verspricht, während der Frust des Filmteams allmählich spürbar wird, so ist dieser unangenehm berührende Moment fast nicht mit anzusehen.
Abgesehen davon bietet Curtis‘ klassisch braves Werk leider dennoch ein eher durchschnittliches Vergnügen, indem er sich etwas zu sehr allein auf Michelle Williams‘ Imitationsspiel auszuruhen scheint. Die rund um Marilyn platzierten Figuren sowie auch die untypische Liebesgeschichte zwischen Filmdiva und dem jungen Colin gehen einem dabei nicht wirklich nahe. Vielleicht hätte sich Simon Curtis auch nur ein wenig klarer entscheiden müssen, was nun genau der Schwerpunkt seiner Geschichte sein sollte: Das verletzliche Mädchen hinter der Ikone, der alternde Regisseur, der seine Filmkarriere wieder in Schwung bringen muss, die Freuden und Leiden eines Filmdrehs oder aber das Coming-of-Age eines noch viel zu unversehrten jungen Mannes, der es nötig hatte, dass ihm endlich einmal das Herz gebrochen wird. So jedoch erzählt der Film von allem etwas – und dabei von allem etwas zu wenig. Und letztlich ist halt selbst das beste Imitat kein Original.
Regie: Simon Curtis, Drehbuch: Adrian Hodges, Darsteller: Michelle Williams, Kenneth Branagh, Eddie Redmayne, Judi Dench, Julia Ormond, Laufzeit: 99 Minuten, Kinostart: 20. 04. 2012