The Grey
„Once more into the fray. Into the last good fight I‘ll ever know. Live and die on this day. Live and die on this day.“ Ein Hauch von Poesie steckt in dem neuen Action-Film des US-amerikanischen Regisseurs Joe Carnahan („Smokin‘ Aces“, „Das A-Team“). Mit „The Grey“ verfilmt er die Novelle „Ghost Walker“ von Ian Mackenzie Jeffers. Das Drehbuch schrieben die beiden gemeinsam…
Nach einem Flugzeugabsturz finden sich Überlebende weitab jeder Zivilisation in der Wildnis von Alaska wieder und haben mit zwei schwerwiegenden Problemen zu kämpfen: Es ist Winter und aggressive Wölfe bedrohen sie. Bei den Männern handelt es sich um Arbeiter einer Ölgesellschaft (Frank Grillo, Dallas Roberts, Dermot Mulroney u.a.) und John Ottway (Liam Neeson), der als Jäger die Aufgabe hatte, die Arbeiter vor Attacken wilder Tiere, allen voran von Wölfen, zu beschützen. Sie treten einen hoffnungslosen Weg an.
Joe Carnahan inszeniert den Action-Thriller als Wildnis-Abenteuer mit melancholischer Grundierung. Wichtig scheint ihm dabei weniger das Geschehen an sich zu sein, denn das ist nicht nur vorhersehbar, sondern folgt darüber hinaus manchmal nur ansatzweise menschlicher Logik und Vorstellungskraft. Carnahan macht es streng nach Schema F, Schritt für Schritt, gestorben wird nach darwinistischem Prinzip. Spannung und Überraschungseffekte werden so jedenfalls nicht erzielt. Alles hat man schon in unzähligen anderen Filmen gesehen. Nebenbei gehören die Wölfe zu dem Erbärmlichsten, was in letzter Zeit an künstlich erzeugten Wesen auf der Leinwand zu sehen war. Trotz verhältnismäßig monströser Ausmaße und Geräusche, die sie von sich geben, wirken sie aufgrund ihres animierten, beinahe Zeichentrick-Charakters zum Teil eher lachhaft.
Im Grunde sind die Wölfe überflüssig, denn es ging Carnahan wohl mehr um allgemeinphilosophische Seinsfragen, was in der Gegenüberstellung von Mensch und Tier zum Ausdruck kommt oder, wenn sich die Männer darüber unterhalten, was jenseits der Wildnis auf sie wartet, weshalb sie überleben oder kämpfen wollen. Eingeschnittene Erinnerungsbilder Ottways geben den Gesprächen eine nostalgische Note, erzeugen aber auch einen Kontrast zwischen Wildnis und Zivilisation, zwischen Gefahr und Geborgenheit.
„The Grey“ ist als eine Parabel auf Mensch und Tier zu lesen, wo die Figuren Schwarzweiß-Equipment ohne Kolorit darstellen. Wie die Wölfe sind auch Menschen Rudeltiere. Auch sie haben ihr Alphamännchen, einen einsamen Wolf, der nichts zu verlieren hat, weil er schon alles verloren hat. Immerhin, Liam Neeson steht sein Part aus Melancholie und Menscheneinsamkeit sehr gut. Die Lage der Männer ist aussichtslos und versinnbildlicht die Unterlegenheit des Menschen gegenüber Natur und Tier und verweist zugleich auf die Entfernung der Zivilisation. Dass es bei den lebenswerten Erinnerungen ausschließlich um Beziehungen zu Frau oder Kindern geht, macht die reflexive Ebene relativ eindimensional und mündet fast schon in das Motto: „Alleinsein ist tödlich.“
Was „The Grey“ dennoch das nötige gewisse Etwas verleiht, ist die Kombination aus Stimmung und Landschaft. Die Bilder, die Kameramann Masanobu Takayanagi einfängt, atmen viel der schneidenden Kälte von Eis und Schnee. Sie und die lyrische Grundstimmung tragen maßgeblich dazu bei, dass sich am Ende des Films das Gefühl einstellt, da wären jetzt große Fragen verhandelt worden. Aber der Verstand folgt wohl eher dem Bedürfnis die Leerstellen des Films auszugleichen. Auch Weisheit will gelernt sein, denn ohne Erkenntnis kein Gewinn. Dass das Publikum im Zweifelsfall anders entscheidet (Stichwort „Inception“), sei ihm vergönnt!
Regie: Joe Carnahan, Drehbuch: Joe Carnahan, Ian Mackenzie Jeffers, Darsteller: Liam Neeson, Dallas Roberts, Frank Grillo, Dermot Mulroney, Nonso Anozie, Joe Anderson, Laufzeit: 117 Minuten, Kinostart: 13.4.2012