Das Hausmädchen
Eine Familie engagiert für ihr hart erspartes neues Heim ein Hausmädchen, das sich jedoch schon bald als durchtriebenes kleines Luder enttarnt und das ultimative Böse – in einer verhängnisvollen Mixtur aus Verführung und Erpressung – über dem Hausfrieden ausbrechen lässt. Sie okkupiert den Hausherrn und treibt die Familie in einem grausamen Machtspiel unaufhaltsam ins Verderben. Mit dieser Geschichte, inszeniert als – in Bildsprache und Spannungsaufbau den Traditionen Alfred Hitchcocks folgendes – klaustrophobisches Kammerspiel in Schwarz-Weiß, revolutionierte Kim Ki-young im Jahr 1960 das koreanische Kino und schuf einen Klassiker, der noch heute selbst zu Martin Scorseses Filmlieblingen zählt…
Im Jahr 2010 wagte sich nun endlich ein Regisseur an den – für heutige Rezeptionsgewohnheiten wohl die Grenzen des überdramatisch Erträglichen sprengenden – koreanischen Klassiker heran und versetzte in seiner Adaption das Filmgeschehen in die Gegenwart. An die Stelle der im Original vorgeführten Mittelschicht lässt Im Sang-soo die Superreichen treten, die – hinter dicken Mauern in ihren Nobelvillen thronend – im heutigen Südkorea längst zu den wahren Machthabern der Gesellschaft geworden sind. In einem dieser von der unteren sozialen Klasse hermetisch abgeschotteten Anwesen tritt die junge Eun-yi – hier, anders als im Original, als gutherziges und geradezu unerhört naives Hausmädchen – ihren Dienst an und lässt dabei zwei entgegengesetzte Welten aufeinanderprallen. Nachdem sie der übermächtige Hausherr geschwängert hat, beschließen die Hausherrinnen kurzerhand, sich des Problems auf eine in ihren Kreisen übliche Weise zu entledigen…
Im Sang-soos Neuverfilmung besticht in erster Linie mit visuellen Reizen – so etwa mit einer geradezu opulent-ästhetischen Bildsprache, mit der klaustrophobisch gefilmten Nobelvilla, dem Spiel von Licht und Schatten, den Farben. Betörend wirkt auch das regelrechte Theater der Blicke, in dem sich die Elemente des stattfindenden Dramas – Lust, Demut, Neid, Macht, Schuld und eiskaltes Kalkül – ein Gänsehaut erzeugendes stummes Gefecht liefern.
Leider verhält es sich hingegen mit der Spannung des Handlungsverlaufes eher ernüchternd. Zwar bietet die grausame Prologszene einen starken Auftakt; der ersten Hälfte des Films gelingt es durchaus, eine fesselnde, zugleich sinnlich erotische und unheilvolle Atmosphäre aufzubauen; und auch das zwiespältige Spiel der alten Hausdame wirkt wunderbar irritierend. Doch verläuft sich die Spannung zunehmend in der Berechenbarkeit des geradlinigen Geschehens und in der unerträglich blinden Naivität Eun-yis, die einfach nicht erkennen will, was längst offensichtlich ist. Andererseits: Vielleicht entfaltet die Grausamkeit der Geschichte eben gerade durch diesen Wissensvorsprung ihre volle Kraft, denn wir müssen Eun-yi Schritt für Schritt in ihr Verderben folgen, machtlos vorhersehend, dass es keinen Ausweg für sie geben kann.
The Housemaid überzeugt nicht unbedingt als Thriller, verbindet jedoch messerscharfe Gesellschaftskritik à la Claude Chabrol mit melodramatischer Seifenoper und liefert ein schonungsloses Bild sozialen Gefälles. Am Ende lauern ein feurig-fulminantes Rachefinale sowie ein surreal-rätselhafter Epilog, in dem sich schließlich die Antwort auf die im Film ständig mitschwingende Frage verbirgt, wer nun letztlich als wahrer Sieger des Machtspieles zwischen den Klassen hervorgegangen ist. Ob man diese Schlussszene jedoch zu entschlüsseln vermag, ist eine andere Frage.
Regie: Im Sang-soo, Drehbuch: Im Sang-soo, Kim Ki-young, Darsteller: Jeon Do-youn, Lee Jung-jae, Seo Woo, Ahn Seo-hyun, Youn Yuh-jung, Laufzeit: 106 Minuten, Filmstart: 05. 08. 2011