Rickerl
Das Entwerfen eigenwilliger Charaktere, die sich ihre Ecken und Kanten nicht abschleifen lassen, obwohl sie damit ständig in der konformen Gesellschaft anstoßen, zeigte sich früh als Adrian Goigingers filmische Stärke – mehr als das Schreiben von Handlungen, die oft nur eine Bühne sind für diese speziellen Typen. Das gilt ganz besonders für Rickerl, den titelgebenden Musiker (Voodoo Jürgens) und seine Leinwandgeschichte.
Jene ist flüchtig betrachtet trivial. Der nicht zufällig immer übernächtigt, pleite und planlos aussehende Mitdreißiger, der eigentlich Erich heißt, schleppt sich von Job zu Job, wobei er eigentlich nur den Stempel fürs Sozialamt will und daraus nicht mal ein Geheimnis macht.
Aber anders als die Saufkumpane aus der Stammkneipe hat er noch Ambitionen. Die stecken in seinem Gitarrenkoffer voll Schmierzettel mit Texten, die er in galgenhumorige Songs verwandelt: übers Trinken, unscheinbare Tragödien und gescheiterte Existenzen, in eine derer er abzurutschen droht. Dabei möchte er dem sechsjährigen Sohn Dominik (Ben Winkler) ein besserer Vater sein als es sein Vater (Rudi Larsen) war. Ex-Freundin Viki (Agnes Haussmann) hat den Schritt in die Stabilität geschafft und Rickerl erkennt, dass er Dominik genauso verlieren wird wie sie, wenn er sich nicht zusammenreißt. Diese geistige Wandlung ist das dramaturgische Momentum der sich über wenige Tage erstreckenden Handlung.
Letzte hat im Grunde alles, was es für das Mainstream-Kino voller Kitsch und Klischees braucht. Das zu vermeiden ist Teil der Kunst des zwischen Milieustudie, Menschenbild und Musikfilm mäandernden Plots. Der bewegt sich stets in einem realistischen Rahmen, innerhalb dessen er umso genauer hinschaut. So entstehen fein beobachtete Porträts gesellschaftlicher Randgestalten, geprägt von einer Warmherzigkeit abseits jeder Sozialromantik. Liedermacher Voodoo Jürgens geht komplett auf in der Hauptrolle, die er maßgeblich mitformte und der er durch eigene Musikstücke eine besondere Authentizität verleiht. Herber Witz, leise Wehmut und eine Nebelbank Zigarettenqualm verschmelzen zu einem schwarzhumorigen Singspiel, dem man einen Hauch Sentiment gern nachsieht.
Regie und Drehbuch: Adrian Goiginger, Darsteller: Voodoo Jürgens, Ben Winkler, Agnes Hausmann, Rudi Larsen, Nicole Beutler, Claudius von Stolzmann, Filmlänge: 104 Minuten, Kinostart: 19.01.2024