Blue Jean

Wären da nicht der Electro-Pop-Soundtrack, der beklemmende Chorus fragmentierter Nachrichten von 1988 und Blind Date auf dem Röhrenfernseher, vor dem die junge Titelfigur (stark: Rosy McEwen) mit Partnerin Viv (Kerrie Hayes) nach einem Arbeitstag als Oberstufen-Sportlehrerin sitzt, könnte Georgia Oakley beeindruckendes Kinodebüt Blue Jean auch in der Gegenwart spielen.

Das exemplarische Drama der verheerenden Wirkung des als Sektion 28 bekannten Gesetzes illustriert mit seltener Authentizität ein essenzielles Kapitel queerer Geschichte, die ein bedrückendes Spiegelbild der Gegenwart zeigt. Eskalierende systemische und soziale Anti-LGBTQ+ Gewalt in den USA und drohende vergleichbare Legislativen im UK bezeugen die alarmierende Aktualität des quälenden Zwiespalts von Angst und Authentizität.

„Fight or flight“, benennt Jean den Impuls vor ihren Schülerinnen. Als Jean und die Klassenneue Lois (Halliday) einander in Jeans Szene-Stammkneipe sehen, warnt Jean sie, auf Distanz zu bleiben. Nicht nur aus Angst um ihren Job, sondern weil Lois sie mit ihrer Selbstverleugnung konfrontiert, alliiert sich Jean mit ihren homophoben Kollegen gegen Lois.

Letzte ist Gespenst von Jeans Teenagerzeit und Vertreterin isolierter queerer Kids auf der Suche nach Orientierungsfiguren. In den kalten Kulissen kleinstädtischer Thatcher-Tristesse wird das erstickende Klima legitimierter Diskriminierung so greifbar wird die internalisierte Ablehnung einer älteren Generation, die von der Jugend lernen muss, um für sie einstehen zu können.

Regie und Drehbuch: Georgia Oakley, Darsteller: Rosy McEwen, Kerrie Hayes, Lucy Halliday, Lydia Page, Stacy Abalogun, Amy Booth-Steel, Aoife Kennan, Filmlänge: 97 Minuten, Kinostart: 05.10.2023