Little Eve – Kind der Schlange (c) 2023 Catriona Ward, Festa Verlag(1)

Little Eve – Kind der Schlange

Little Eve ist Catriona Wards zweiter Roman, nach ihrem Debüt Rawblood von 2015. Es ist auch der zweite Roman der Autorin den der Festa Verlag in deutscher Sprache herausbringt, nach Das letzte Haus in der Needless Street. Die weiteren Romane von Catriona Ward sollen hier folgen. Gemeinsam haben diese Werke, dass sie allerlei Literaturpreise einheimsen konnten und die Feuilletons wohlwollend auf ihrer Seite hatten. Little Eve bekam etwa den Shirley Jackson Award und den British Fantasy Award für den besten Horror-Roman.

Darum geht’s in Little Eve: Auf einer schottischen Insel werden 1921 sieben Leichen entdeckt. Es gibt nur eine Überlebende – Dinah, die erzählt, dass ihre Stiefschwester Evelyn für das Massaker verantwortlich sei. In rückschauenden Kapiteln erfahren wir die ganze Geschichte von Evelyn, die mit anderen Kindern zusammen bei ihrem „Onkel“ aufwuchs, der ihnen Furcht lehrte und seinen Willen aufzwang. Die manipulierten Kinder folgen seinen Anweisungen und Ritualen. Nur Evelyn beginnt Zweifel zu hegen.

Mein Herz ist ein dunkler Gang, gesäumt von Reihen glänzender Gefäße. In jedem von ihnen schwebt etwas. Die Vergangenheit, bewahrt in Alkohol.

Little Eve – Kind der Schlange ist ein psychologischer Sekten-Horror-Roman mit folkloristischen Anleihen, der gekonnt zwischen Drama und Grauen pendelt. Die atmosphärischen Landschaftsbeschreibungen und das historische Setting ziehen uns in eine graue, triste Welt hinein. Zugegeben, der Einstieg in die Geschichte ist zumindest mir nicht einfach gefallen. Zu verwirrend, zu ausschweifend gestalteten sich die ersten Kapiteln. Doch nach kürzester Zeit rutscht man immer tiefer in die Geschichte ab. Das Weglegen des Romans wird zunehmend schwieriger. Und auch wenn die großen Überraschungen ausbleiben steuert Little Eve unerbittlich einer tragischen und trotzdem bittersüßen Auflösung entgegen.

Frühstück, Haferbrei, sechs Mundvoll. Keiner spricht mit mir. Auch während unserer Aufgaben nicht, auch nicht beim Mittagsmahl, Brot und Käse, sechs Mundvoll, noch beim Abendbrot. Eine Kartoffel, getrockneter Hering. Es sind drei Tage vergangen. Ich beginne zu glauben, dass ich daran sterben werde.

Catriona Ward ist eine hochtalentierte, intelligente Erzählerin, die ihre Leserinnen und Leser fordert und unterhält gleichzeitig. Dem Festa Verlag ist mit der Übernahme der Autorin ins Programm ein großer Coup gelungen. Man wünscht sich, dass die Literaturszene auch hierzulande mehr Notiz davon nehmen würde. So bleibt uns nur zur Verbreitung dieses Geheimtipps beizutragen: Wenn ihr auf der Suche nach psychologisch raffinierten Spannungsromanen ohne Effekthascherei seid – dafür mit echter Tiefe – werft doch einen Blick auf die Bücher von Catriona Ward und dankt uns später. Little Eve ist keine leichte Lektüre für Zwischendurch. Dafür umso lohnenswerter und mit langem Nachhall. Gerne mehr davon.

Little Eve – Kind der Schlange von Catriona Ward, 384 Seiten, erschienen im Festa Verlag.

Little Eve - Kind der Schlange