Planet ohne Visum
Planet ohne Visum von Jean Malaquais gilt als großes Werk der französischen Exilliteratur und ist nach 75 Jahren endlich auf Deutsch zu lesen.
Die Handlung dieses ungemein dichten Romans wiederzugeben, ist ein nahezu unmögliches Unterfangen. Zu viele Figuren erleben zu viele Geschichten. Im Grunde kann man aber so reduziert wie möglich sagen: in Marseille 1942, kurz vor der endgültigen Besetzung durch die Deutschen, versuchen Menschen vor dem Regime zu fliehen. Andere probieren bereits jetzt, sich bei den künftigen Besatzern beliebt zu machen. Jean Malaquais schildert anhand einer großen Anzahl an Figuren die unterschiedlichen Meinungen, Richtungen und Schichten der damaligen Zeit. Exemplarisch zeigt er an ihnen in den verschiedensten Facetten, wie das Leben und vor allem die Atmosphäre damals war.
Er strich über sein Spitzbärtchen und sog dabei den Duft seiner Finger ein. Obwohl er seit Wochen tagtäglich um Punkt zwölf Uhr in dasselbe Sträßchen einbog, konnte er sich an den fauligen Verwesungsgestank, den die Gassen des Vieux Port verströmten, partout nicht gewöhnen.
Gleichzeitig führt Malaquais die Schicksale seiner Figuren aber auch zusammen. Er verbindet sie auf schicksalhafte Weise. Wie viele kleine Zahnräder, die langsam ineinander greifen. Es gibt Flüchtlinge, Aktivisten, Vertreter von Hilfsorganisationen, Spitzel, Legionäre, Diebe und Mitläufer aller Art, die im Verlauf immer stärker miteinander in Berührung kommen. Einiges davon ist auch an historische Figuren angelehnt und durchaus autobiographisch gefärbt. Auch wenn Planet ohne Visum nicht unbedingt zur Gattung der postmodernen Literatur gezählt wird, merkt man darin doch viele Versatzstücke, die einen gewissen Einfluss auf Autoren wie Thomas Pynchon, Paul Auster und David Foster Wallace gehabt haben könnten.
Planet ohne Visum ist vor allem eine eindringliche, aber auch herausfordernde Milieustudie jener Zeit. Man braucht eine Weile, um in den Roman hineinzufinden. Vor allem wegen seiner großen Fülle an Figuren. Doch die eindringliche Atmosphäre, die Malaquais gekonnt vermittelt, zieht sich durch den gesamten epischen Roman. Planet ohne Visum ist definitiv keine leichte Kost. Sowohl inhaltlich, als auch vom Umfang. Nadine Püschel gelingt es zudem meisterhaft die elegante Sprache von Malaquais erstmals auf Deutsch zu übersetzen.
Planet ohne Visum von Jean Malaquais, 664 Seiten, erschienen bei Edition Nautilus.