The Assistant
The Assistant bearbeitet Missbrauch in der Medienbranche in unnachahmlicher Weise. Subtil und dadurch noch deutlicher, macht Regisseurin Kitty Green einen Tag im Büro zu einem abstoßendem Ereignis.
Jane (Julia Garner) ist die erste, die nach langer Anreise im Büro der Filmproduktionsfirma ankommt. Das Geräusch von Druckern, startenden PCs und kochendem Kaffee begleiten die junge Frau auf den Gängen des tristen Arbeitsplatzes. Ihre langsam eintreffenden Kollegen schenken ihr keinerlei Beachtung. Im Verlauf des Tages wird klar, dass Jane trotz ihres guten College Abschlusses nur wenig anspruchsvolle Arbeiten verrichten darf. Nicht nur dass, jeder noch so kleine Fehler kann zu einer Schimpftirade des namen- und gesichtslosen Bosses führen, der stellvertretend für die Harvey Weinsteins der Industrie stehen soll. Als sich plötzlich die unqualifizierte Sienna (Kristine Frøseth) als neue Assistentin vorstellt und kurz darauf in ein Hotelzimmer geführt wird, meldet Jane dies bei Personalleiter Wilcock (Matthew Macfadyen). Sie versucht ihm klar zu machen, dass sie Indizien dafür hat, dass die junge Frau im Hotel zu sexuellen Gefälligkeiten genötigt wird. Doch genau wie die Industrie es über Jahre hinweg getan hat, wird die Aussage nicht ernst genommen und unter den Teppich gekehrt.
Ehrlicherweise kann man sagen, dass die Inhaltangabe mehr oder weniger den Plot von The Assistant spoilert – aber Spoiler-Alarm: der Plot des Films wird seit Oktober 2017 regelmäßig in den Medien besprochen. Männer die Ihre Macht ausnutzen. Ein Umfeld, dass aus Selbstschutz oder Ignoranz, den kriminellen Machenschaften keinen Einhalt gebieten kann. Kitty Greens Werk hält wenig Überraschungen bereit, verzichtet auf schockierende Bilder und schlägt seine Zuseher trotzdem mit voller Wucht ins Gesicht.
Denn die Inszenierung der Ereignisse dieses Arbeitstags sind der ausschlaggebende Punkt und die Stärke des Films. Zu keinem Zeitpunkt kann sich Jane, und somit auch der Zuseher, wohl fühlen. Sie ist in dieser männerdominierten Welt eine Randfigur, selbst ihre weiblichen Kolleginnen blicken auf sie herab. Nicht mal der Titel schafft es in die Mitte der Leinwand, sondern verweilt in der unter Hälfte des rechten Bildrands. Die völlige Abwesenheit jeglicher Musik schaffen eine klaustrophobische Stimmung, die das Werk wie eine Dokumentation wirken lässt. Man ist entsetzt, dass es in der Realität zu solchen Zuständen kommen kann. Gleichzeitig versteht man auch wieso die Figuren so handeln wie sie es tun.
Jane liebt Filme und hat alle Qualifikationen um irgendwann als Produzentin arbeiten zu können. Immer wieder wird ihr allerdings vermittelt, dass sie austauschbar ist und sich glücklich schätzen muss, ihr gesamtes Privatleben für den Beruf aufgeben zu dürfen. Der Boss ist in einem Moment ein Monster, im anderen wieder nett und bekundet wie viel er von Jane hält. Selbst wenn es direkt zu dem unausgesprochenen Geheimnis kommt, was hinter verschlossenen Büro- und Hoteltüren vor sich geht, schaffen es die Figuren den Missstand zu relativieren. Aussagen wie „Keine Sorge, du bist nicht sein Typ“ oder „Für sie springt bei der Sache mehr raus als für ihn“, zeigen wie es das Umfeld schafft mit der Situation umzugehen.
Es sei gesagt, dass man sich auf die Machart von The Assistant einlassen muss. Über die Laufzeit von 85 Minuten passiert nicht viel – und gleichzeitig so viel. Man ist nahe dran an der Hauptperson, fühlt mit, ist fassungslos und schockiert. Die Schauspieler performen allesamt auf höchstem Niveau, auch wenn man am Ende nicht sagen könnte, dass einem auch nur einer der Protagonisten sympathisch wäre. The Assisstant ist kein Feel-Good-Film, er ist ein wichtiger Film!
Regie und Drehbuch: Kitty Green, Darsteller: Julia Garner, Owen Holland, Jon Orsini, Rory Kulz, Migs Govea, Daoud Heidami, Noah Robbins, Filmlänge: 87 Minuten, Kinostart: 16.10.2020