Knives Out – Mord ist Familiensache
Manche Menschen sind so eingemauert in Privilegien, dass sie die eigene Bigotterie nicht sehen. Rian Johnson illustriert das vor und hinter den Kulissen seines Kriminaltheaters.
Heuchlerischer als die karikatureske Familienbande im Zentrum der blassen Agatha-Christie-Kopie ist sein Konzept grauhaariger weißer Männer in Machtpositionen, die armen Töchtern illegaler Immigranten beistehen. Weltfremder Paternalismus? Aber nein, der Regisseur und Drehbuchautor ist genau so einer und voll auf Seiten der jungen Hauptfigur (Ana de Armas) seiner paternalistischen Krimikomödie.
Letzte unterhält weniger als Murder-Mystery denn als unfreiwillige Selbstsatire. Die Inszenierung verkauft abgedroschene Stereotypen und anbiedernde Lippenbekenntnisse als sozialkritische Pointen, während sie hinterrücks klassistische und patriarchalische Mythen zementiert. Kraftlose Seitenhiebe gegen die ego- und exzentrische Sippschaft des steinreichen Kriminalautors Thrombey (Christopher Plummer) verzuckern eine geschmacklose Moral von Gehorsam, Genügsamkeit und Gutwille. Dank dieser Kardinaltugenden wird Heimpflegerin Marta Cabrera zur Entrüstung der Verwandtschaft Alleinerbin des gebieterischen Hausherren, den sie täglich umsorgte und aufs Wort folgte.
Brave Bedienstete, die nicht nur am Go-Brett jedes Machtspielchen mitspielen, werden millionenschwer belohnt. Reaktionäre Klassenhierarchie ist zu aller Besten und schnellster Weg zu materieller Umverteilung. Denn Elitemänner überreichen eigenmotiviert das Zepter – hier eine symbolträchtige Kaffeetasse – nicht an Kronsöhne, sondern aufopferungsvolle Fürsorgerinnen. Gegen dieses konservative Weiblichkeitsideal stehen gierige Ex- (Toni Collette) und Karrierefrauen (Jamie Lee Curtis) nebst alt-right Nachwuchs (Jaeden Martell). Zum Glück untersucht Südstaaten-Poirot Benoit Blanc (Daniel Craig) den wenig mysteriösen Fall.
Er kooperiert zum Beweis seines Nichtrassismus mit dem einzigen Schwarzen in Sichtweite. Selbiger Detektive (Lakeith Stanfield) hat wie die Mehrheit des Ensembles kaum dramaturgische Funktion. Der inkohärente Plot ist lediglich Folie der einlullenden Suggestion, Gute würden belohnt und das Patriarchat von selbst abdanken. Folglich ist Sozialaktivismus in dem suspensefreien Szenario nur ein eitles Hobby, so ulkig wie der Umstand, das Marta Lügen wortwörtlich zum Kotzen findet. Angesichts dieser gebündelten Heuchelei wird auch weniger Sensiblen schlecht.
Regie und Drehbuch: Rian Johnson, Darsteller: Ana de Armas, Chris Evans, Jamie Lee Curtis, Toni Collette, Daniel Craig, Don Johnson, Katherine Langford, Michael Shannon, Christopher Plummer, Filmlänge: 130 Minuten, Kinostart: 02.01.2020