The Villainess
Das asiatische Genre-Kino hat mit Filmen wie I Saw the Devil oder The Raid ordentlich Staub aufgewirbelt und auch Jung Byung-gils neuestes Werk lässt moderne Actionthriller aus den USA vor Neid erblassen.
Eine junge Frau namens Sook-hee (Kim Ok-bin) betritt des Nachts den Unterschlupf einer Gangsterbande und zerlegt dutzende Mitglieder mitsamt dem Interieur in ihre Einzelteile. Am Ende ihres Amoklaufs wird sie von der Polizei gestellt und inhaftiert, wobei die angerichtete Schneise der Zerstörung eine geheime Regierungsbehörde auf den Plan ruft. Kurzerhand unterbreitet diese Sook-hee einen Deal, demzufolge sie für die Dauer von 10 Jahren zur professionellen Killerin ausgebildet werden soll, um als Schläferin diverse Missionen zu erfüllen und schlussendlich die Freiheit zu erlangen. Aufgrund mangelnder Alternativen willigt sie ein und muss bald darauf den ersten Auftrag annehmen, der einige dunkle Geheimnisse ihrer Vergangenheit offenbart.
Allein für die inszenatorische Finesse der Action lohnt sich dieser Film bereits. Wenn die Protagonistin während der eröffnenden Plansequenz in Ego-Perspektive durch verwinkelte Flure rennt und dutzende Gegner mit allerlei Waffen auf brachiale Weise bearbeitet, erinnert die ganze Szenerie nicht nur an den Klassiker Oldboy, sondern man ist auch ab der ersten Sekunde in das Geschehen involviert. Im Gegensatz zur russisch-amerikanischen Schlachtplatte Hardcore überspannt das Werk dieses Stilmittel allerdings nicht, sondern wechselt, als Sook-hees Kopf gegen einen Spiegel donnert, im passenden Moment in die beobachtende Perspektive. Die Kamera wirbelt dann fast schon schwerelos um das Gemetzel herum und fängt die ersten Minuten in imposant anmutenden Bildern ein, die im weiteren Verlauf immer wieder aufs Neue kreiert werden. Ikonische Momente wie der packende Kampf durch einen fahrenden Bus oder eine mit Scharfschützengewehr ausgestattete Braut zaubern ein breites Grinsen ins Gesicht.
Unter den stilsicheren Gewaltexzessen verbirgt sich überraschenderweise auch ein Drama, das mit der für Asien typischen Melodramatik aufwartet. Anhand drei unterschiedlicher Zeitebenen wird einem der tragische Charakter Sook-hee Schicht für Schicht näher gebracht, was vor allem zu Beginn vollste Konzentration erfordert, um den Überblick zu behalten. Obwohl die verpackte Liebesgeschichte kitschig und manche Nebenfigur überflüssig wirken mag, sorgt die hervorragende schauspielerische Darbietung von Hauptdarstellerin Kim Ok-bin dafür, dass man sich für den Fortgang der Geschichte interessiert. Neben der gezeigten Bandbreite an Emotionen überzeugt sie auch mit physischer Präsenz, da viele der Stunts von ihr persönlich ausgeführt wurden.
Als Endergebnis bekommt man somit das vielleicht härteste Actionfeuerwerk seit The Raid 2 oder Mad Max: Fury Road serviert, welches durch das hingebungsvolle Schauspiel seiner Hauptdarstellerin einen emotionalen Anker bietet und gerade wegen der verspielten Inszenierung ein wahres Fest für Fans des gepflegten Genrefilms ist.
Regie: Byung-gil Jung, Drehbuch: Byeong-sik Jung, Byung-gil Jung, Darsteller: Ok-bin Kim, Ha-kyun Shin, Jun Sung, Seo-hyeong Kim, Filmlänge: 129 Minuten, DVD/Blu-Ray Release: 05.01.2018